Glossar

Organisationen und Personen, die für den NSU-Komplex und den (militanten) Neonazismus in Brandenburg besonders relevant sind, werden hier kurz erläutert und eingeordnet. Besonders wichtige Akteure oder Begriffe sind durch vertiefenden Dossier ergänzt.
Diese Übersicht wird kontinuierlich erweitert.


1. Werwolf-Jagdeinheit Senftenberg
war eine Neonazigruppe, die von 1991 bis 1992 in Südbrandenburg aktiv war, sich umfangreich mit Waffen ausgerüstet hatte und Sprengübungen durchführte.
Ende 1991 erschossen Mitglieder der Gruppe in Meuro bei Cottbus den Unbeteiligten Timo Kählke, um dessen Auto als Fluchtfahrzeug für einen geplanten Überfall auf ein Spielcasino nutzen zu können.
Gruppenanführer Jens-Werner K., schon zu DDR-Zeiten Waffennarr und Anhänger des Nationalsozialismus, wurde in der Haft von der später verbotenen Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene (HNG) betreut. Unter dem Pseudonym „Wehrwölfchen“ verfasste er Beiträge für das Fanzine „Der Weiße Wolf“.

Mehr Informationen:
Simone Wendler, „Die 1. Werwolf-Jagdeinheit Senftenberg und der Mord an Timo K.“ In: Spangenberg/Kleffner: Generation Hoyerswerda, be.bra-Verlag Berlin 2016, S. 148-158.

Bewegung Neue Ordnung (BNO)/Schutzbund Deutschland/Bewegung Neues Deutschland
war eine Abspaltung der Brandenburger NPD. Die BNO wurde 2004 vom bis dahin amtierenden Landesvorsitzenden der Brandenburger NPD, Mario Schulz, und dem damaligen Brandenburger JN-Vorsitzenden Jens Pakleppa gegründet, da ihnen der Kurs ihrer Partei als nicht radikal genug erschien. Als Liste Ja zu Brandenburg trat die BNO im selben Jahr erfolglos zur Landtagswahl an. Später benannte sich die BNO in Schutzbund Deutschland um. 2006 wurde der Schutzbund Deutschland wegen seiner Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus verboten. Nach dem Verbot agierte die Organisation unter dem Label Bewegung Neues Deutschland einige Zeit weiter. Als Verantwortlicher für einige Veröffentlichungen dieser Gruppe trat Maik Eminger auf.

weitere Informationen:
„Die »Bewegung Neue Ordnung«“ – Opferperspektive (12.10.2006)
„Angetreten im Dienste der »Volksgemeinschaft«“ – apabiz – monitor (Nr. 25; Mai 2006)

Combat 18 (C18)
heißt wörtlich „Kampf 18“ und kann als „Kampfeinheit für Adolf Hitler“ (1 und 8 stehen für die Buchstaben A und H) übersetzt werden. C18 ist ein international genutztes Label für neonazistische Terrorgruppierungen und gilt als der militante Arm des Neonazinetzwerkes Blood & Honour. Dem Prinzip des „führerlosen Widerstandes“ folgend, führten von C18 beeinflusste Neonazis mehrere schwere Anschläge durch, die sich gegen Migrant*innen und politische Gegner*innen richteten. In Deutschland war der Brandenburger V-Mann Carsten Szczepanski einer der Wegbereiter von C18 in der Neonaziszene.

weitere Informationen: „Das Label ,Combat 18′“ – Antifaschistisches Infoblatt (AIB 107 / 2.2015; online am 08.09.2015)

Der III. Weg
Dossier
ist eine 2013 gegründete neonazistische Kleinstpartei. Einzelne Mitglieder und Unterstützer*innen haben Verbindungen in rechtsterroristische Kreise. Seit 2015 ist die Partei auch in Brandenburg aktiv und unterhält hier drei Stützpunkte.
Deutsche Alternative (DA)
war eine neonazistische Kleinpartei, die im Mai 1989 gegründet und Ende 1992 verboten wurde. Zu ihren Aktivitäten gehörten die Inszenierung der jährlichen „Heldengedenken“ in Halbe und Heß-Gedenkmärsche in Wunsiedel, die Veröffentlichung eines eigenen Rundbriefes sowie die Organisation von Wehrsportübungen. Die DA war insbesondere in und um Cottbus aktiv, wo der damalige DA-Bundesvorsitzende und heutige NPD-Aktivist Frank Hübner lebt. Neben Hübner war Klaus Beier, zurzeit Landesvorsitzender der Brandenburger NPD, ein weiterer späterer NPDler in der DA aktiv.

weitere Informationen: „Deutsche Alternative (DA)“ – apabiz (1996)

Eminger, Maik
ist eine 1978 geborene Führungsfigur der Brandenburger Neonaziszene. In den 90iger Jahren gehörte er laut Zeitungsberichten mit seinem Zwillingsbruder André und den mutmaßlichen NSU-Unterstützern Matthias D. und Mandy S. zum Umfeld der Weißen Bruderschaft Erzgebirge im sächsischen Johanngeorgenstadt. Seit 2005 lebt Eminger in Grabow (Potsdam-Mittelmark). Sein Hof gilt als wichtiger Treffpunkt der extrem rechten Szene. Eminger war aktiv in Zusammenhang mit der Bewegung Neue Ordnung/ Schutzbund Deutschland und als Stützpunktleiter der Jungen Nationaldemokraten in Potsdam. Als Redner vertritt er die „Blut und Boden“-Ideologie der NSDAP bei Kundgebungen der Neonazipartei Der III. Weg und ist für die Neonazi-Netzwerke Licht und Schatten, Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung und Gefangenenhilfe aktiv. Sein Zwillingsbruder André ist im Münchener NSU-Prozess angeklagt.

weitere Informationen:
Zeugenaussage Eminger in München
Die weißen Brüder, zeitonline vom 11.04.2014
„André und Maik Eminger: Das Helfer-Duo des Terror-Trios“, gamma – antifaschistischer Newsflyer für Leipzig und Umgebung, 16. Juli 2012

Fischer, Matthias
1977 in Templin geboren, gehört zu den Führungsfiguren der extrem rechten Szene in Deutschland. Viele Jahre in Bayern lebend war er beteiligt am Aufbau der Kameradschaftsszene Süddeutschlands, unter anderem als Anführer der 2004 verbotenen Fränkischen Aktionsfront sowie des 2014 verbotenen Dachverbandes Freies Netz Süd (FNS) und aktiv beim Aufbau der Partei „Der III. Weg“. Außerdem war er bayerischer Landesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten (JN) und Kreisvorsitzender der NPD in Fürth. Seit 2014 lebt Fischer in Angermünde und ist maßgeblich am Aufbau der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ in den östlichen Bundesländern beteiligt – seit 2016 auch als Leiter des „Gebietsverbandes Mitte“.

Fischers Name stand 1998 als Kontakt für Nürnberg auf der Telefonliste des NSU-Terroristen Uwe Mundlos. In Nürnberg beging der NSU bekanntlich drei Morde und verübte einen Sprengstoffanschlag.

weitere Informationen:
Wikipedia zu Matthias Fischer
Hinter den Kulissen einer Neonazi-Kameradschaft, BR24 vom 20.11.2015
Die bayerische Neonaziszene verliert einen führenden Kopf, zeitonline vom 12. Juli 2014

Freikorps Havelland
hatte sich als neonazistische Kameradschaft zum Ziel gesetzt, „Ausländer“ aus dem Havelland zu vertreiben. Dazu verübte sie zwischen August 2003 und Mai 2004 zehn Brandanschläge auf migrantische Imbisse und Geschäfte im Havelland. Im Mai 2005 wurden fünf Mitglieder, darunter der Rädelsführer Christopher H. aus Nauen, vom Oberlandesgericht Brandenburg wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt. Christopher H. ist weiterhin bei rassistischen Demonstrationen aktiv.

weitere Informationen: BGH-Urteil, 2006

Gefangenenhilfe
ist ein kurz nach dem Verbot der Hilfsorganisation für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V. (HNG) im Jahr 2012 gegründetes Neonazi-Netzwerk, das inhaftierte Neonazis unterstützt. Unter anderem für den im Münchener NSU-Prozess angeklagten Ralf Wohlleben sammelt die Gefangenenhilfe Spenden. Für das Netzwerk trat in Brandenburg unter anderem Maik Eminger öffentlich in Erscheinung.
Greger, Nick
ist ein 1977 geborener Rechtsextremer. Greger gründete in den 1990er Jahren in Berlin Kameradschaften, organisierte Neonazi–Konzerte und war an neonazistischen Gewalttaten beteiligt. Er saß deshalb mehrere Jahre in Haft, unter anderem weil er einem Schwarzen ein Ohr abgerissen hatte. Er selbst bezeichnet sich in einem autobiografischen Buch im Rückblick als einen der damals „militantesten Neonazis in Deutschland“. Im Jahr 2000 wurde er verurteilt, weil er zusammen mit dem Brandenburger Verfassungsschutz-Spitzel Carsten Szczepanski (Deckname Piatto) im Zuge der Nationalrevolutionären Zellen einen Sprengstoffanschlag auf Linke vorbereitet hatte. 2003 flüchtete er vor einer Haftstrafe nach Südafrika. 2005 kehrte er nach Deutschland zurück und hatte zeitweise Kontakt zum Aussteigerprojekt Exit. Er beteuerte, sich vom Rassismus gelöst zu haben. Allerdings gründete er zusammen mit dem ehemaligen nordirisch-loyalistischen Terroristen Johnny Adair und dem antiislamischen Blogger Paul Ray die Bruderschaft Order 777, die sich als „Tempelritterorden“ versteht und den militärischen Kampf gegen vermeintliche „Islamisten“ propagiert. Greger und Ray flüchteten gemeinsam nach Malta, da dem Briten in England Strafverfolgung wegen der Anstiftung zu rassistisch motivierter Gewalt drohte. Zwischenzeitlich wurde der redselige Greger von Jürgen Elsässer (Compact) interviewt. Er behauptete unter anderem, dass Piatto ihn zum Bombenlegen angestiftet habe. Das LKA Berlin musste einräumen, dass es Greger von 2001 bis 2003 als V-Mann „VP598“ geführt hatte. Greger selbst hat dies bestritten und stattdessen behauptet, zeitweise V-Mann des Verfassungsschutzes Sachsen gewesen zu sein.

weitere Informationen:
https://haskala.de/2014/02/02/greger-vp4/
https://www.antifainfoblatt.de/artikel/nick-greger-%E2%80%93-umgestiegen-statt-ausgestiegen

Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG)
war eine 1979 gegründete Organisation, die bundesweit rechtsextreme Straftäter während und nach ihrer Haftzeit betreute und unterstützte. Zuletzt hatte die Organisation rund 600 Mitglieder und gehörte damit zu den mitgliederstärksten neonazistischen Organisationen in Deutschland. Durch die Kontaktpflege sollten die Häftlinge ideologisch und sozial gestärkt werden und sich nach ihrer Entlassung nahtlos in die Szene wiedereingliedern. Betreut wurden unter anderem Neonazis in den JVAs in Brandenburg, Cottbus, Schwarze Pumpe, Wriezen und Frankfurt (Oder). Das Magazin HNG Nachrichten war eine wichtige, weil organisationsübergreifend gelesene Zeitschrift im Neonazismus. Am 21. September 2011 wurde die HNG vom Bundesinnenministerium verboten. Verschiedene neu gegründete Organisationen versuchen, die durch das Verbot entstandene Lücke in der neonazistischen Gefangenenbetreuung auszufüllen.

weitere Informationen:
http://www.der-rechte-rand.de/wp-content/uploads/DRR_EXTRA_HNG_VERBOT.pdf
https://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/Nachrichten%20der%20HNG.htm
https://web.archive.org/web/20061207181748/http://www.buschbom.de/jan/texte/hilfng.html

Kameradschaft Oberhavel
gründete sich im Frühjahr 1996 und wurde im August 1997 wegen ihres offenen Bekenntnisses zum Nationalsozialismus verboten. Die Kameradschaft gab das Informations- und Schulungsheft Modernes Denken. Gestalt und Ausdruck volkstreuer Jugend heraus und führte sogenannte Anti-Antifa-Listen, auf denen Namen und Adressen von nicht-rechten Jugendlichen veröffentlicht wurden.
Kö, Christian
Dossier
ist ein aus Damsdorf (Potsdam-Mittelmark) stammender Neonazi, der von 1998 bis Ende 2002 für den brandenburgischen Verfassungsschutz arbeitete. Im Februar 2001 warnte er einen anderen Neonazi vor einer anstehenden Polizeirazzia, die sich gegen die für Anschläge verantwortliche Nationale Bewegung richten sollte. Über die Razzia war er zuvor gezielt vom Verfassungsschutz informiert worden.
Menzel, Uwe
Jahrgang 1974, ist ein Potsdamer Neonazi, der seit den 1990er Jahren als Musiker in diversen Rechtsrockbands (u.a. Proissenheads, Uwocaust) tätig ist und eine Schlüsselposition in der bundesdeutschen Rechtsrockszene einnimmt. Um die Band Proissenheads, die sich zeitweise einen Proberaum mit der Berliner Rechtsrockband Landser teilte, bildete sich eine brandenburgische Sektion von Blood & Honour. Für seine Rolle im NSU-Komplex sind seine Verbindungen nach Chemnitz, unter anderem bei diversen Rechtsrockkonzerten, und nach Königs Wusterhausen (zum Verfassungsschutz-Spitzel Carsten Szczepanski) von Bedeutung. Weitere Kontakte bestanden zu den Neonazis Nick Greger, der Mitglied der rechtsterroritischen Nationalrevolutionären Zellen NRZ war und zu dem Führungsfiguren der sächsischen Blood and Honour-Sektion Jan Werner und Thomas Starke. Im Sommer 2000 wurden bei Menzel Schusswaffen sichergestellt, die Carsten Szczepanski an Menzel vermittelte. Nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 beteiligte sich Menzel mit einem Lied an einem Solidaritätssampler für den NSU-Angeklagten Ralf  Wohlleben und unterstrich so seine Nähe zum Terrornetzwerk.
Meyer-Plath, Gordian
war ab 1994 Mitarbeiter des Brandenburger Verfassungschutzes. Anfänglich war Meyer-Plath, 1968 geboren, für die Auswertung der von dem Neonazi Carsten Szczepanski alias „Piatto“ gelieferten Informationen zuständig. Später führte er gemeinsam mit dem V-Mann-Führer „Reinhard Görlitz“ die Quelle „Piatto“ direkt. Meyer-Plath stieg zum Leiter des Referats „Auswertung und Beschaffung politischer Extremismus“ auf. Seit 2012 ist Meyer-Plath Präsident das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen. Als „Alter Herr“ gehört er der Burschenschaft Marchia in Bonn an.
Müller, Michel
Dossier
ist ein 1980 geborener Neonazi aus Rathenow. Er ist Mitglied des Landesvorstandes der NPD in Brandenburg und seit 2014 Kreistagsabgeordneter im Havelland sowie Stadtverordneter in Rathenow. Wegen verschiedener Gewaltdelikte ist Müller vorbestraft, er saß von 2003 bis 2006 im Gefängnis.
Nationale Bewegung
Dossier
war eine rechtsterroristische Gruppe, die zwischen dem 30. Januar 2000 und dem 30. Januar 2001 in und um Potsdam rassistische und antisemitische Anschläge und Propagandaaktionen beging. Eine für Februar 2001 angesetzte Polizeirazzia gegen 19 Neonazis aus Potsdam und Umgebung wurde durch einen V-Mann des Verfassungsschutzes verraten. Die Razzia brachte keine Ergebnisse – die Taten der Nationalen Bewegung sind bis heute nicht aufgeklärt.
Nationale Bewegung Königs Wusterhausen
ist als Untersuchungsgegenstand für den NSU-Untersuchungsausschuss im Einsetzungsbeschlusses des Brandenburger Landtages gelistet. Eine Gruppierung unter diesem Namen hat es allerdings nie gegeben. Eine rechtsterroristische Nationale Bewegung war in den Jahren 2000 und 2001 im Raum Potsdam aktiv.

Weitere Informationen:
NSU Watch Brandenburg: „Was jetzt getan werden muss – eine Bestandsaufnahme nach der 1. öffentlichen Ausschusssitzung“, 26. September 2016

Nationalistische Front (NF)
war eine neonazistische Kaderpartei, die 1985 bei Bielefeld gegründet und Ende 1992 wegen ihrer „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ und ihrer „aggressiv-kämpferischen“ Agitation verboten wurde.
Anfang der 1990er Jahre war die NF eine zentrale Organisation für den Aufbau von Neonazistrukturen in Brandenburg. NF-Stützpunkte hielten Wehrsportlager und Sonnenwendfeiern ab, führten Schulungen durch und beteiligten sich am „Heldengedenken“ in Halbe. 1991 rief der Vorsitzende Meinolf Schönborn zur Schaffung von Nationalen Einsatzkommandos (NEKs) nach dem Vorbild der Freikorps in der Weimarer Republik auf. Die Bundesanwaltschaft leitete daraufhinErmittlungen wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung ein. Kurz vor dem Verbot spaltete sich die Partei. Der Flügel um Andreas Pohl gründete die Sozialrevolutionäre Arbeiterfront (SrA).

weitere Informationen:
„Nationalistische Front (NF)“ – apabiz (1996)
Botsch, Gideon: „Nationalismus – eine Idee sucht Handelnde. Die Nationalistische Front als Kaderschule für Neonazis“; In: Generation Hoyerswerda – Das Netzwerk militanter Neonazis in Brandenburg; S. 74-97; be.bra verlag Berlin-Brandenbug, 2016

Nationales Pressearchiv Frankfurt (Oder) (NPA)
war eine 1993 von Danny S. gegründete Einrichtung im deutschen Neonazismus. Das NPA gab unter anderen die Zeitschrift Nationaler Beobachter heraus, in dem Antifaschist*innen denunziert, Anti-Antifa propagiert und für die Werte der Hammerskins und Blood & Honour geworben wurde. Mehrmals wurden bei Danny S. deshalb Hausdurchsuchungen durchgeführt. Dennoch wurde das NPA fortgeführt. 1996 verkündete S. die angebliche Auflösung des NPA. Tatsächlich wurde es jedoch weitergeführt und unter anderem in der Berlin-Brandenburgischen Zeitung der Nationalen e.V. weiterbeworben. Ausgaben des Nationaler Beobachter erschienen bis mindestens 2001. Die Struktur hinter dem NPA deckte sich wohl mit den Frankfurter „Stützpunkten“ der Nationalistischen Front und deren Nachfolgeorganisation Direkte Aktion Mitteldeutschland/JF. Zum Umfeld gehörten unter anderem Mike Danowski (später Selle), der den Aufruf zur Gründung von Knastkameradschaften mitunterzeichnet hat und André W., bei dem eine Hausdurchsuchung 1999 Waffen und Unterlagen über die Bildung bewaffneter Terrorgruppen zu Tage förderte.

Weitere Informationen:
http://www.opferperspektive.de/aktuelles/dokumentation-20002001
https://de.indymedia.org/node/6765
Gideon Botsch, Nationalismus – Eine Idee sucht Handelnde in „Generation Hoyerswerda“, Kleffner und Spangenberg (Hrsg.), 2016, S. 96

National-Revolutionäre Zellen
Dossier
war eine rechtsterroristische Untergrundgruppe nach dem Vorbild von „Combat 18“. Im Frühjahr 1999 kündigten sie in der Neonazizeitschrift „Hamburger Sturm“ an: „Wir sind im Krieg mit diesem System und da gehen nun mal Bullen oder sonstige Feinde drauf“. Zu den Mitgliedern zählten unter anderem die Neonazis Nick Greger und Carsten Szczepanski. Die Gruppe plante unter anderem Rohrbombenanschläge auf Linke.
P., Norbert
ist ein aus Frankfurt (Oder) stammender Neonazi. Während einer Haftstrafe, die er im Land Brandenburg verbüßte, kommunizierte P. unter anderem mit dem späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos und der Brandenburger Neonazistin Sylvia E.. Die Neonazis korrespondierten über die von P. konzipierte Gründung und das Programm eines „National Politischen Forums“, das als Dachorganisation für die neonazistische Bewegung dienen sollte.
P. war zumindest über Zuschriften an die Fanzines „Der Weiße Wolf“ und „United Skins“ auch mit dem V-Mann Carsten Szczepanski verbunden.

Weitere Informationen:
NSU-Watch: Protokoll des 199. Verhandlungstages (22. April 2015)

Rietz, Stefan
Dossier
ist ein deutscher Neonazi und Funktionär der NPD aus Kloster Lehnin OT Göhlsdorf (Landkreis Potsdam-Mittelmark). Er wurde Fortführens der verbotenen Gruppe Blood & Honour verurteilt.
Spreelichter/Widerstandsbewegung Südbrandenburg
war eine Vernetzung von Neonazis in Südbrandenburg. Über eine Webseite und mit spektakulären und auch gewalttätigen Aktionen wurde ab 2006 unter wechselnden Namen von der Gruppe die „Volkstod“-Kampagne im bundesdeutschen Neonazismus etabliert. Die Gruppe war 2011 Initiator für die Maskenaufmärsche der neonazistischen „Unsterblichen“-Kampagne. Im Juni 2012 wurden die Spreelichter vom brandenburgischen Innenministerium als Widerstandsbewegung in Südbrandenburg verboten. Die Gruppe rekrutierte sich ursprünglich unter anderem aus ehemaligen Angehörigen der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten, die im Zuge einer Abspaltung von der Partei zunächst eine Gesinnungsgemeinschaft Süd-Ost Brandenburg gegründet hatten, die wiederum mit dem später ebenfalls verbotenen Schutzbund Deutschland im Norden des Bundeslandes verbunden war.
Eine führende Person der Spreelichter war der Lübbenauer Neonazi Marcel Forstmeier.
Im Zusammenhang mit den Spreelichtern trat auch Maik Bunzel, heute Rechtsanwalt in Cottbus, in Erscheinung, unter anderem als Musiker des Neonazi-Projekts Hassgesang.

Weitere Informationen:
Antifaschistisches Infoblatt: „Vorbildlicher Volkstod. Das Neonazi-Netzwerk »Spreelichter«“, AIB 92 / 3.2011 | 15.09.2011

Schilf, Marcel
war ein deutsch-dänischer Neonazi. Der 2001 verstorbene Schilf wurde 1972 als dänischer Staatsbürger in der DDR geboren. In der ersten Hälfte der 1990er Jahre hielt er sich regelmäßig in der Stadt Brandenburg an der Havel auf. Sein Umfeld in Brandenburg bestand aus Neonaziskinheads und Personen aus der Nationalistischen Front. Er bewegte sich auch in der Brandenburger Sektion von Blood & Honour und betrieb über seinen in Dänemark ansässigen Vertrieb NS 88 eine der europaweit einflussreichsten Propagandawerkstätten des damaligen Neonazismus. Er versorgte die Szene mit Neonazimusik und „Kriegsberichter“-Videos. In Skandinavien verfügte er über enge Kontakte zur Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung (DNSB) und galt als Anführer von Blood & Honour Scandinavia. Im Zuge von Ermittlungen wegen Briefbombenattentate auf Linke in den frühen 1990er Jahren geriet Schilf zeitweise in Verdacht. Zu „Ehren“ des verstorbenen Nazikaders veranstalteten B&H und Combat 18 in Großbritannien und noch 2015 Schweden Gedenkkonzerte mit zahlreichen Neonazibands.

Weitere Informationen:
AIB 40/3.1997; AIB 49/4.1999; AIB 52/1.2001; AIB 53/2/2001; AIB 99/2.2013
Hinter den Kulissen, Faschistische Aktivitäten in Brandenburg, 1994, S.31
http://www.zeit.de/1997/47/Die_Offensive_der_Nazirocker

Schneider, Maik
ist ein aus Nauen stammender NPD-Funktionär (Stadt- und Kreistagsabgeordneter). Schneider, Jahrgang 1987, gilt als Schlüsselfigur der rechten Szene, ist Aktivist der Freie Kräfte Neuruppin/Osthavelland und Mitorganisator rassistischer Proteste gegen Geflüchtete. Schneider war bereits im Umfeld des Kampfbundes Deutscher Sozialisten (KDS) und des 2012 verbotenen Vereins Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) aktiv. Er ist seit 2016 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Eine Neonazi-Gruppe soll unter seiner maßgeblichen Beteiligung 2015 eine rassistisch motivierte Anschlagsserie in Nauen verübt haben, unter anderem einen Brandanschlag auf das Auto eines polnischen Mannes,auf eine als Asyl-Notunterkunft vorgesehene Sporthalle sowie mehrere Anschläge auf Parteibüros und Politiker*innen der Linkspartei.

Weitere Informationen:
Antifa Infoblatt 04.07.2016: Brandenburger NPD-Funktionär in U-Haft
PNN 02.03.2016: Braunes Terror-Netzwerk in Brandenburg?

Schwerdt, Frank
war ein Multifunktionär des deutschen Neonazismus. Der 1944 geborene Schwerdt war in den 1960er Jahren Mitglied der NPD in West-Berlin, danach im CDU-Ortsverband Berlin-Heiligensee. Es folgten Stationen bei Die Republikaner und Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH). Schwerdt war im Land Brandenburg maßgeblich für die zwischen 1991 und 1997 bestehende Organisation Die Nationalen e.V. aktiv und unter anderem an deren Publikation Berlin-Brandenburger Zeitung – Zeitung der nationalen Erneuerung beteiligt. Er beteiligte sich am Aufbau des rechtsextremen Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerkes. Nach der Selbstauflösung von Die Nationalen e.V. trat Schwerdt erneut in die NPD ein und fungierte dort unter anderem als Landesvorsitzender in Thüringen und als stellvertretender Bundesvorsitzender. Sein Stellvertreter in Thüringen war der im Münchener NSU-Prozess angeklagte Ralf Wohlleben. Schwerdt pflegte Kontakte in die militante Kameradschaftsszene, unter anderem zu Hans-Christian Wendt („Schriftleiter“ der HNG-Nachrichten und Gründer der AG Nationaler Sozialisten in und außerhalb der NPD), zu Gordon Reinholz (Märkischer Heimatschutz) und zu Tino Brandt (Thüringer Heimatschutz, V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes). Schwerdt saß 1998/99 wegen Volksverhetzung (in den NS-Schulungsbriefen von Die Nationalen e.V.) sowie 1999/2000 wegen Gewaltverherrlichung (durch die Veröffentlichung einer CD der thüringischen Band Volksverhetzer) in Haft. Er musste später einräumen, dass der NSU-Terrorist Uwe Mundlos Ende der 1990er Jahre für ihn als Fahrer gearbeitet hatte. Mehrfach kursierten in der rechten Szene auch Gerüchte, dass Schwerdt Spitzel gewesen wäre. Schwerdt verstarb im Oktober 2016.

Weitere Informationen:
http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/frank-schwerdt
https://www.antifainfoblatt.de/taxonomy/term/1091/feed

Stadler, Toni
Dossier
ist ein aus Guben stammender Neonazi. Spätestens seit dem Jahr 2000 und bis zum Sommer 2002 arbeitete der 1974 geborene Stadler als V-Mann für den brandenburgischen Verfassungsschutz.
Szczepanski, Carsten
Dossier
ist ein ehemaliger V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes. Der 1970 geborene Szczepanski ist seit früher Jugend Teil der neonazistischen Szene in Berlin und Brandenburg. Wegen versuchten Mordes sitzt er mehrere Jahre im Gefängnis. Szczepanski ist eine Schlüsselfigur im militanten Neonazismus der 1990er Jahre in Brandenburg und steht in engem Kontakt mit Personen, die Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ab deren Untertauchen 1998 unterstützen. Gleichzeitig ist er – spätestens ab 1994 und bis ins Jahr 2000 – als V-Mann Piatto gutbezahlter Spitzel des Brandenburger Verfassungschutzes.

Weitere Informationen:
V-Mann mit langem Strafregister – Blick nach Rechts (2016)
Laabs, Dirk: „Die V-Mann-Karriere des Carsten Szczepanski“; In: Generation Hoyerswerda – Das Netzwerk militanter Neonazis in Brandenburg; S. 181-197; be.bra verlag Berlin-Brandenbug, 2016

W., Bendix
ist ein in Brandenburg lebender Neonazi, der mit der Berliner Neonazi-Rockergruppe Vandalen verbunden ist. In den 1990er Jahren war W. „Wehrsportbeauftragter“ der Neonazigruppe Deutsche Alternative in Berlin. 1995 wurde er im Zusammenhang mit einer österreichischen Briefbomben-Serie wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.
W. hatte mit dem österreichischen Neonazi Peter Binder im Sommer 1993 in Halbe und Bernau nach Weltkriegswaffen gesucht, um Sprengstoff zu gewinnen.Während seiner Haft in der JVA Spremberg wurde W. von der später verbotenen Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene (HNG) betreut. 2002 schlug W. dem Grünen-Bundestagsabgeordneten, Christian Ströbele, mit einer Stahlrute auf den Kopf. Im Juni 2009 folgte eine Verurteilung durch das Amtsgericht Bernau wegen des unerlaubten Verbringens von explosionsgefährlichen Stoffen.

Weitere Informationen:
Antifaschistisches Autorenkollektiv, „Drahtzieher im braunen Netz“, Konkret Literatur Verlag 1996, S. 27-28.

Weiße Wolf, Der
Dossier
war eine 1996 gegründete Neonazi-Zeitschrift, die zunächst aus der JVA Brandenburg/Havel von dort einsitzenden Neonazis als „Rundbrief inhaftierter Kameraden“ produziert und vertrieben werden konnte. Das Brandenburger Justizministerium stritt diesen Skandal damals wider besseren Wissens ab. Zu den Herstellern und Unterstützern des Heftes gehörten unter anderem Carsten Szczepanski, alias V-Mann „Piatto“, Maik F. und Mike Danowski, die teilweise dem NSU-Umfeld zuzurechnen sind. Im Jahr 2002 – also neun Jahre vor dem Bekanntwerden des NSU erschien im „Weißen Wolf“ die Notiz: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen“..
Wenndorf, Christian
ist ein 1975 geborener Neonazi und Rechtsrock-Musiker des Blood&Honour-Netzwerkes, der unter anderem in Fürstenwalde und Potsdam aktiv war.
Ab Ende 1996 und bis zu deren Verbot 2003 war er Schlagzeuger der Berlin-Brandenburger Neonazikultband Landser. Mehrere Bandmitglieder wurden wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und wegen Volksverhetzung verurteilt. Wenndorf sagte im Prozess vor dem Berliner Kammergericht aus und galt fortan in der Neonaziszene als „Umfaller“. Er wurde zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Wenndorf war sehr gut in der Brandenburger Szene vernetzt und unterhielt Kontakte nach Sachsen. So stellte er für die Produktion der CD „Ran an den Feind“ Kontakt zu Jan Werner aus Chemnitz, einem mutmaßlichen NSU-Unterstützer und Blood&Honour-Aktivisten, her. Neben Landser spielte Wenndorf unter anderem bei Proissenheads und Aryan Brotherhood, beides Bandprojekte des Potsdamer Neonazis Uwe Menzel. Wenndorf nahm auch an Treffen der sächsischen Sektion von Blood&Honour teil.