Protokoll – 9. Sitzung – 28. April 2017

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Die Sitzung schloss an die 7. Sitzung des Brandenburger NSU-Untersuchungsausschusses an und drehte sich um die „Nationale Bewegung“ (NaBe) und die Fehler und Verstrickungen der Behörden im Zuge der damaligen Ermittlungen. Ungefähr zwischen dem 30. Januar 2000 und dem 30. Januar 2001 verübte die fragliche „Nationale Bewegung“ in und um Potsdam rassistische und antisemitische Anschläge und Propagandadelikte. Bis heute sind die Taten nicht aufgeklärt.

Der öffentliche Teil der Sitzung begann pünktlich gegen 10.15 Uhr. Der Ausschussvorsitzende stellte zunächst die Zeugen vor. Geladen waren der Brandenburger Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg, die Potsdamer Staatsanwältin Irene Stari und der Bundesanwalt Wolfgang Siegmund.

Zeugenaussage Erardo Rautenberg

Nach einer Belehrung durch den Ausschussvorsitzenden Holger Rupprecht hielt Erardo Rautenberg ein Eingangsstatement. Nachdem er bereits in der 4. Sitzung des Untersuchungsausschusses ( Zusammenfassung 4. Sitzung) als Sachverständiger zur „Organisierten rechtsextremen Gewalt in Brandenburg“ geladen war und auf die rechtsextremen Vereinigungen „Freikorps Havelland“ und „Nationale Bewegung“ hinwies, erläuterte er seinen Bezug zu den Ermittlungen der NaBe als Generalstaatsanwalt.

Nachdem in der Nacht vom 7. zum 8. Januar 2001 ein Brandanschlag auf die jüdische Trauerhalle in Potsdam verübt wurde, wurde noch am selben Tag die Oberstaatsanwaltschaft Potsdam über den Fall telefonisch verständigt. Einen Tag später verständigte die Oberstaatsanwaltschaft die Bundesgeneralstaatsanwaltschaft (GBA) per Fax. Im Schreiben wurde berichtet, dass es sich bei dem Fall um eine ausländerfeindliche Tat handele und der Tatort beschrieben. Laut Rautenberg lag die Zuständigkeit aufgrund der Schwere der Tat, der Bedeutung des Falls und der Tatsache, dass am Tatort ein Bekennerschreiben der NaBe aufgefunden wurde, auf höherer Ebene. Am 12. Januar 2001 übernahm dementsprechend die GBA das Verfahren.

Am selben Tag bekam Erardo Rautenberg einen Anruf vom damaligen Leiter des Brandenburger Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin. Wegesin kritisierte die Übernahme durch die GBA, bezeichnete diese als „unnötig“. Für Rautenberg war dies unverständlich, schließlich habe der Verfassungsschutz „kein Recht, auf die Entscheidung der Übernahme Einfluss zu nehmen“. In einem Interview mit der DPA am 11. Januar 2001 in Wustrau soll auch der damalige leitende Neuruppiner Oberstaatsanwaltschaft die Übernahme kritisch kommentiert haben.

Ende Januar bzw. Anfang Februar weitete die GBA im NaBe-Verfahren den Tatvorwurf aus auf die „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (§129a). Weitere Erkenntnisse zu dem Verfahren lagen Rautenberg nach der Übernahme durch die GBA nicht mehr vor. Immer wieder habe er sich nach dem Stand erkundigt. Generell erwiesen sich die Ermittlungen als schwierig, denn der Brandenburger Verfassungsschutz stellte die Bekennerschreiben der NaBe auf seine Webseite. Nach dem Brandanschlag schien die NaBe vom Erdboden verschwunden zu sein, die GBA zeigte keine Ermittlungsfortschritte.

Im Frühjahr 2003 informierte die GBA die Potsdamer Staatsanwaltschaft darüber, dass Journalisten darauf hingewiesen hätten, dass eine von der Polizei geplante Groß-Razzia am 17.02.2001 in der Potsdamer Neonazi-Szene von einem V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes an ein Szene-Mitglied verraten worden war. Dies ging aus einer Telefonüberwachung hervor. In einem Telefonat am 06.02.2001 hatte der Neonazi-V-Mann Christian K. dem Neonazi Sven S. den Termin der Hausdurchsuchung genannt. Daraufhin zog das Brandenburger LKA die Durchsuchungsaktion auf den 07.02.2001 vor. Hinweise auf die NaBe wurden bei den Razzien nicht aufgefunden. Es folgte ein Verfahren gegen den V-Mann Christian K. wegen Geheimnisverrats, das am 18.09.2003 zu einer Verurteilung führte.

Öffentlich wurden Vorwürfe gegen die Neuruppiner Staatsanwaltschaft laut. Man warf ihr vor, Dokumente an den Tagesspiegel, die Märkische Allgemeine und an weitere Medien weitergegeben zu haben. Gegen diesen Vorwurf hatte sich Rautenberg gewehrt.

All diese Umstände ließen bei Rautenberg, so sagte er aus, den Zweifel wachsen, ob die NaBe tatsächlich existiert habe. Für ihn sei der Sachverhalt bis heute unklar. Zweifel an den Ermittlungen der GBA habe er nicht gehabt. Aus seiner Sicht hatte diese mit äußerster Sorgfalt ermittelt: 112 Bände dokumentieren den Vorgang (in die er jedoch keine Einsicht hatte), alle Ermittlungsmöglichkeiten wurden ausgeschöpft. Seine Staatsanwaltschaft hatte in dem Fall keine Befugnisse, selbst tätig zu werden. Durch den Untersuchungsausschuss erhoffe er sich die Klärung des Sachverhaltes. Er plädierte darauf, im Rahmen der parlamentarischen Aufklärung den Brandenburger Verfassungsschutz zu befragen.

Auf Nachfrage des Vorsitzenden Rupprecht, erläuterte Rautenberg erneut, warum es die NaBe womöglich nicht gegeben habe. Für Rautenberg spielten vier Aspekte eine Rolle. Einerseits die Merkwürdigkeiten bei der Übernahme des Falls durch die GBA und dass der Verfassungsschutz dagegen Bedenken äußerte. Für Rautenberg war dies nicht nachvollziehbar, denn aus seiner Sicht, sei die GBA ermittlungstechnisch besser ausgestattet als die reguläre Staatsanwaltschaft. Zudem war die NaBe nach dem Brandanschlag auf die Trauerhalle scheinbar nicht mehr in Erscheinung getreten. Weitere Aspekte die Rautenberg als „Merkwürdigkeiten“ bezeichnete war zum einen, dass der Verfassungsschutz die Bekennerschreiben der NaBe auf seiner Internetseite veröffentlicht hatte. Damit hätte jeder die Bekennerschreiben runterladen können, womit diese als Beweismittel wertlos gemacht wurden. Weiterhin sei der Verrat der Hausdurchsuchungen durch einen V-Mann des Verfassungsschutzes eine offenkundige Merkwürdigkeit.

Im Anschluss fragte Rupprecht Rautenberg nach der Zusammenarbeit der Behörden in Brandenburg im Fall NaBe und ob diese sich eher als schwierig erwiesen hätte. Rautenberg erwiderte, dass die Zusammenarbeit mit dem damaligen Leiter des Verfassungsschutzes, aber auch in anderen Fällen, wie beispielsweise der Skandal um den V-Mann Toni S., von Differenzen begleitet und „nicht unbedingt gut“ war. In Bezug auf die Polizei war die Zusammenarbeit ein Dauerproblem. Denn die Staatsanwaltschaft bestand darauf, bei Fällen mit ausländerfeindlichem oder terroristischem Hintergrund unverzüglich informiert zu werden.

Die Frage, ob Rautenberg Kenntnisse vorliegen würden, wer hinter den 21 Straftaten mit 15 Bekennerschreiben stehen würde, die der NaBe zugeschrieben werden, verneinte er. Sein Wissen höre auf mit der Übernahme des Falls durch die GBA.

1. Fragerunde

Die erste Fragerunde begann der SPD-Abgeordnete Björn Lüttmann mit der Frage, ob es sich bei den Taten der NaBe um Einzeltaten gehandelt haben könnte. Es hätte sich dabei auch um Personen mit ähnlichem ideologischen Hintergrund gehandelt haben können als Alternative zu einer festen terroristischen Organisation. Zudem wollte er wissen, ob Rautenberg Hinweise darauf geben könne, ob nicht nur V-Personen der Landesbehörde, sondern auch der Bundesbehörde im Umfeld der NaBe tätig waren und ob er die Einschätzung teilen würde, dass hier bewusst versucht wurde, einen „Schleier auf die Sache“ zu legen.

Rautenberg konnte hierzu wenig Aussagen liefern, und vermied es, zu spekulieren. Für ihn sei die Sache unklar, Akteneinsicht habe er nicht gehabt und auch keinen Zugriff auf den weiteren Verlauf der Ermittlungen. Von dem Untersuchungsausschuss erhoffe er sich Klarheit. Die von ihm zuvor angeführten Punkte ließen in ihm Zweifel wachsen, ob die NaBe tatsächlich eine terroristische Organisation war. Für ihn sei es eine „dubiose Sache“ gewesen. Er stellte die Frage in den Raum was eigentlich passiert, wenn sich eine Vereinigung auflöst. Nach seiner Erfahrung sei es ungewöhnlich, dass niemand aus der Szene darüber geredet habe. Es sei ungewöhnlich, dass niemand sein Schweigen gebrochen habe.

Auf die Frage von der SPD-Abgeordneten Inka Gossmann-Reetz, ob der Begriff NaBe in der Szene für ihn nicht geläufig sei, beantwortete Rautenberg mit „ja“. Man habe zwar „ein Ohr dran“ an der Szene, aber der Begriff NaBe sei nicht gefallen. Der Anschlag auf die jüdische Trauerhalle ging für Rautenberg in Richtung Terrorismus. Er zog einen Vergleich mit den Anschlägen der RAF, die das Strafrecht und die Definition von Terrorismus geprägt hatten. Der Anschlag von Potsdam ging in eine ähnliche Richtung, so Rautenberg, und hatte ebenfalls ein Bekennerschreiben. Weitere Hinweise kamen jedoch nicht zu Tage und es folgten auch keine weiteren Anschläge.

Den letzten Punkt griff der SPD-Abgeordnete Björn Lüttmann auf und wies darauf hin, dass es noch einen weiteren Vorfall, am 30.01.2001, gab, der der NaBe zugeschrieben wird. Von diesem Vorfall sei Rautenberg aber nichts bekannt gewesen. Mit der Übernahme des Verfahrens durch das GBA standen Rautenberg keine weiteren Informationen mehr zur Verfügung. Die Staatsanwaltschaft war aber angehalten worden, alle Vorfälle die in Richtung der NaBe gingen unmittelbar an die GBA zu übersenden. Der erwähnte Fall sei Rautenberg nicht mehr präsent gewesen.

In einer weiteren Frage interessierte sich die SPD-Angeordnete Inka Gossmann-Reetz für die Rolle des Verfassungsschutzes. In einem Spiegel-Interview sprach der damalige Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin davon, dass man bei den Taten der NaBe nicht vom rechten Terror reden könne. Rautenberg schätzte diese Behauptung als „absurd“ ein. Bei einem Anschlag auf eine jüdische Einrichtung und einem Bekennerschreiben mit einer „rechtsextremen Motivation der Urheber“ sei der Verdacht auf Terrorismus „einfach gegeben“. Die Entscheidung, die GBA einzuschalten sei keine leichtfertige gewesen, ähnlich wie in dem „Freikorps Havelland“-Prozess. Aus seiner Sicht wäre der vorliegende, begründete Verdacht nicht in Frage zu stellen gewesen.

Auf die Frage der SPD-Abgeordneten Inka Gossmann-Reetz, ob Rautenberg das Gefühl gehabt habe, dass der Verfassungsschutz die „Aufklärung verhindern“ würde, stimmt er zu. Das Gefühl habe er gehabt, aber „damit kann man nicht viel anfangen“. Ob die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz gesucht wurde, konnte Rautenberg nicht eindeutig beantworten. Die Zusammenarbeit sah so aus, dass jeder „seine Arbeit“ gemacht hatte und man davon ausging, dass der Verfassungsschutz die strafrechtlich relevanten Sachen der Staatsanwaltschaft zugänglich machen würde. Dass dies „nicht ganz optimal“ gelaufen ist, zeigte der Fall um den V-Mann Toni S., den Rautenberg als Beispiel nannte.

Der CDU-Abgeordnete Jan Redmann wies „vollständigkeitshalber“ darauf hin, dass die Diskussion um den Paragrafen 129a zu der damaligen Zeit im vollem Gange und geprägt durch den RAF-Terrorismus war. Dem widersprach Rautenberg, in dem er betonte, dass das Gesetz „nicht links oder rechts“ gewesen sei. So soll das Gesetz vorsehen, dass eine Gruppierung als terroristisch gilt, wenn sie sich als Personengruppe dauerhaft zusammenschließt, um Straftaten zu begehen. Zwar sei die Rechtsprechung für „Linksextremisten“ entwickelt worden sein, gelte aber auch für „Rechtsterrorismus“. Die Taten des 129a-Paragrafen seien außerdem in einem Katalog festgehalten, zu dem auch Brandanschläge zählen. Aus Rautenbergs Sicht sei an dem Begriff des Terrorismus in Hinsicht auf die NaBe nach dieser Definition „kein Zweifel“. Dass das Verfahren aber nicht zu Ende geführt wurde, sei ein „Stachel in der Wunde“.

In einer weiteren Frage ging der CDU-Abgeordnete Redmann auf das Konzept der „Nationalen Bewegung“ ein. So berichteten Kenner der Szene, dass auf Internetseiten wie das „Nationale Infotelefon“ zur Zeit der Anschläge durchaus auch Konzepte verbreitet wurden, die den gleichen Namen getragen haben. Für ihn ergab sich daraus die Frage, ob die NaBe nicht ein Oberbegriff gewesen sei für unterschiedliche Personen, die sich von diesem Konzept angesprochen gefühlt haben und sich jeder hätte zu eigen machen können. Dies hätte die These unterstützt, dass die NaBe keine Gruppierung gewesen sei. Da Rautenberg das Verfahren an die GBA abgegeben hatte, gab er an, dieses Thema nicht weiter verfolgt zu haben.

Abschließend fragte Redmann nach den Umständen des Verfahrens gegen den V-Mann-Führer, der den Termin der Hausdurchsuchung an Neonazi-V-Mann Christian K. weitergegeben hatte. Christian K. wurde wegen Geheimnisverrats verurteilt, während sein V-Mann-Führer scheinbar nicht weiterverfolgt wurde. Rautenberg erläuterte das Vorgehen. So habe der V-Mann die Pflicht, eine persönlich betreffende Information, die er durch seinen V-Mann-Führer bekommen hat, nicht weiter zu geben. Der Verfassungsschutz argumentiert damit, dass er seinen V-Mann informiert hat, damit dieser sich in der Sache „raushält“. Da er dies nicht getan hat, wurde ein Verfahren gegen ihn eingeleitet.

Im Anschluss darauf folgten die Fragen der Linken. Der Abgeordnete Volkmar Schöneburg fragte, ob die Entscheidung, die Ermittlungen gegen den V-Mann-Führer fallen zu lassen, mit dem Ministerium abgestimmt gewesen sei. Dies hatte Rautenberg nicht im Gedächtnis. Es spreche aber viel dafür, das man sich abgestimmt hatte.

Schöneburg sei eine weitere „Merkwürdigkeit“ aufgefallen. Die Hausdurchsuchungsaktion in der Potsdamer Szene fand parallel zu den Ermittlungen zur NaBe statt, als präventive Maßnahme gegen 19 Personen. Er fragte sich, ob dies die Arbeit des GBA nicht konterkariert habe und die Brandenburger Polizei ihr da „reingegrätscht“ sei. Ob die Aktion der Polizei mit der GBA abgestimmt war, konnte Rautenberg nicht sagen. Er nahm an, sie sei nicht abgestimmt gewesen, was eine neue „Merkwürdigkeit“ sei.

Eine weitere Frage war, ob angenommen werden konnte, dass die Neonazis Christian K. und Sven S. Funktionäre des Blood&Honour-Netzwerks waren und ob die Vermutung im Raum stand, dass beide in der NaBe tätig gewesen wären. Dazu, so Rautenberg, habe er keine Erkenntnisse gewonnen.

Des weiteren fragte Schöneburg nach den Polizisten, die in den GBA-Akten erwähnt werden, denen eine neonazistische Gesinnung nachgewiesen werden konnte. Konkret erkundigte Schöneburg sich danach, ob Erkenntnisse vorliegen würden, inwiefern die „rechtsradikale Einstellung“ der Polizei in dem NaBe-Fall eine Rolle gespielt habe. An einen konkreten Vorfall konnte sich Rautenberg nicht erinnern. Die Polizei sei ohnehin ein Spiegelbild der pluralistischen Gesellschaft, sodass er sich vorstellen konnte, dass es einen gewissen Prozentsatz geben würde, die so denken. Ein konkreter Fall sei ihm aber nicht bekannt gewesen in diesem Zusammenhang.

Die Fragen des AfD-Abgeordneten Franz Wiese beschränkten sich auf darauf, ob in dem Sachverhalt zur NaBe ein NSU-Bezug erkennbar sei und ob Erkenntnisse vom Verfassungsschutz zurückgehalten wurden. Rautenberg konnte keinen NSU-Bezug in dem NaBe-Komplex erkennen, merkte aber an, eine begrenzte Wahrnehmung auf den Fall zu haben. Ob der Verfassungsschutz Informationen vorenthalten habe, sei ihm nicht bekannt.

Schließlich fragte die Grünen-Abgeordnete Ursula Nonnemacher, ob Rautenberg mit Vorgängen befasst gewesen sei, die sich aus dem NaBe-Verfahren ergeben haben – beispielsweise zur Strafvereitelung im Amt. Hierzu hatte Rautenberg keine konkrete Erinnerung.

Eine weitere Frage befasste sich mit dem Handlungsspielraum der Polizei und der Generalstaatsanwaltschaft. Ihre Frage bezog sich darauf, ob dieser ausreichen würde wenn es um Nachrichtendienste und ihre Mitarbeiter gehe. Zudem interessierte sie sich dafür, was nötig wäre zur Stärkung der Ermittlungsbehörden gegen Nachrichtendienste. Aus Rautenbergs Sicht wäre es sinnvoll, zunächst die Interessen der Nachrichtendienste und der Ermittlungsbehörden voneinander abzugrenzen. Diese kollidieren, wenn aus dem Bereich des Verfassungsschutzes Straftaten begangen werden und nicht sichergestellt sei, dass die Ermittlungsbehörden davon Kenntnis erhalten. Anscheinend war dies nicht der Fall, sonst wäre dies an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft weitergetragen worden. Allerdings sei dies von der Straftat abhängig und ob der V-Mann in der Situation im Auftrag des Verfassungsschutzes gehandelt habe oder nicht. Zum Beispiel: ein V-Mann nimmt an einer Demonstration teil, in Rahmen derer Hitlergrüße gezeigt werden. Es werden Ermittlungen eingeleitet und das Verfahren gegen Geldauflage eingestellt, weil die Situation „hinnehmbar“ sei. Bei einer schweren Straftat müsste der V-Mann womöglich aufgedeckt werden. Bereits 2003 lief eine Diskussion über die Strafbarkeit von V-Männern und es herrscht Unklarheit über die Grenzen der Strafbarkeit von V-Männern. Rautenberg erwähnte in diesem Zusammenhang den Fall des V-Manns Toni S., der unter Aufsicht des Verfassungsschutzes Hetzschriften verbreiten konnte, was aus seiner Sicht eine Grenzüberschreitung war. Rautenberg äußerte den Wunsch, dass man sich über die Grenzen der Strafbarkeit mehr Gedanken machen würde und dass es daraus zu einer Gesetzesänderung oder Verurteilungen kommen würde.

Darauf aufbauend fragte Nonnemacher, ob Rautenberg der Meinung sei, dass ein V-Mann derart vertrauenswürdig wäre, dass er über Hausdurchsuchungen informiert werden sollte. Rautenberg beantwortet die Frage damit, dass es die damalige Rechtsauffassung war, auf die man sich gestützt hatte. Nonnemacher hakte nach: Auf der Liste der Ermittler standen 19 Namen, die durchsucht werden sollten. Christian K. stand nicht auf dieser Liste, daher war der Quellenschutz auch nicht gefährdet. Rautenberg äußerte, dass man ihn womöglich warnen wollte, dass er bei der Razzia nicht auffallen sollte. Gleichzeitig wurde der V-Mann-Führer nicht angeklagt, obwohl er seinen V-Mann aufforderte, Geheimnisverrat zu begehen, so Nonnemacher. Nach Rautenberg war die Verratsabsicht aber nicht gegeben gewesen. Er wollte seinen V-Mann davon abhalten, sich in den Razziaorten aufzuhalten. Er wollte nicht, dass die Szene informiert wird, so Rautenberg. Wenn er das gewollt hätte, wäre er zu verfolgen gewesen. Darauf aufbauend fragte Nonnemacher, ob es juristischen Spielraum gab sich in diesem Sachverhalt anders zu verhalten. Diese Frage konnte Rautenberg nicht beantworten.

Auf den Fall Toni S. ging Nonnemacher anschließend noch einmal ein. Sie sprach von Indiskretionen und gegenseitigen Vorwürfe zwischen Innenministerium und der Staatsanwaltschaft, sowie den Streit mit der Staatsanwaltschaft um die Strafvereitelung, die 2003 in dem Fall publik wurde. Sie interessierte sich dafür, wie Rautenberg und seine Abteilung in diesem Feld positioniert waren. Auf diese Frage sah sich Rautenberg nicht vorbereitet. Es gab seines Wissens nach Vorwürfe auch aus dem Landtag gegen die Staatsanwaltschaft, dass diese Akten an die Presse weitergegeben hätte. Dies konnte widerlegt werden, weil der Staatsanwaltschaft keine Akten mehr zu dem Fall zur Verfügung standen. Ob es in der Reihen der Staatsanwaltschaft andere Auffassungen bezüglich des Geheimnisverrats gab, konnte Rautenberg nicht mehr rekonstruieren. An Details konnte er sich nicht erinnern.

Abschließend fragte Nonnemacher, ob Rautenberg noch bekannt sei, ob sich auch der damalige Innenminister Schönbohm zu den Vorwürfen geäußerte hatte, dass der LKA-Chef Ermittlungen gegen den V-Mann Führer eingeleitet hatte. Hierzu hatte Rautenberg keine Erinnerung. Er konnte sich entsinnen, dass es Auseinandersetzungen mit dem Innenministerium gegeben hat, die es auch in anderen Fällen genauso gab. Weitere Auseinandersetzungen gab es zwischen Berlin und Brandenburg, weil in dem Fall um den V-Mann Toni S. die Berliner Staatsanwaltschaft tätig wurde, was Brandenburg als einen Eingriff in die Arbeit ihres Verfassungsschutzes ansah. Toni S. wurde verurteilt, was Rautenberg unterstützt hatte. Der Durchsuchungsbeschluss gegen Toni S. wurde in Berlin angefertigt. Üblicherweise wird bei der Vollstreckung die Leitung der der zuständigen Behörde informiert. Die Information zur Vollstreckung der Durchsuchung ist aus „irgendwelchen Gründen“ an den Verfassungsschutz durchgesickert. Unklar war, ob dies ungewollt passiert ist oder ob der Verfassungsschutz über den Vorgang informiert wurde, was bei einem guten Verhältnis der Behörden womöglich „Routine“ gewesen wäre. In dem besagten Fall wurde der Beschluss jedoch ohne Kenntnis der Brandenburger VS-Behörden erwirkt. Rautenberg hatte das Gefühl, man hat in dem Fall die Information über die Durchsuchung explizit nicht an Menschen weitergegeben, die damit „Unsinn“ anstellen könnten. Unter diesem Aspekt hätte er genauso gehandelt.

Zeugenaussage Irene Stari

Als zweite Zeugin war die Staatsanwältin Irene Stari geladen. Sie wollte kein Eingangsstatement zu dem Sachverhalt geben und wurden dann durch den Ausschussvorsitzenden Rupprecht dazu aufgefordert, über die Einzelheiten zu berichten, an die sie sich von damals noch erinnern konnte.

So erklärte sie, dass sie nach dem Brandanschlag auf die Trauerhalle im ersten Zugriff befasst war und den Tatort noch am selben Tag besichtigte. Nachdem dann die GBA über den Brandanschlag an der jüdischen Trauerhalle fernmündlich benachrichtigt wurde, wurde eine Überprüfung der Zuständigkeit eingeleitet durch den Staatsanwalt Wolfgang Siegmund. Stari leistete Zuarbeit und wertete den Tatort sowie die Akten aus, bis der Fall schließlich von der Behördenleitung an die GBA übergeben wurde. Ein solches Vorgehen gehörte zur gängigen Praxis. Damit war ihre Arbeit an dem Fall beendet. Die Ermittlungen liefen zu diesem Zeitpunkt gegen Unbekannt und beschränkten sich zunächst nur auf den Anschlag auf die Trauerhalle. An weitere Taten, die mutmaßlich die NaBe begangen hat, konnte sie sich nicht erinnern – nur dass es Einstellungen von Ermittlungsverfahren gab.

Des weiteren gab Stari an, ab Ende 2001 nicht mehr in der Abteilung für politisch motivierte Straftaten gearbeitet zu haben.

1. Fragerunde

Die Fragen der SPD-Abgeordneten Björn Lüttmann und Inka Gossmann-Reetz, ob Stari sich an die NaBe erinnern könne, verneinte sie. Stari besaß Kenntnis darüber, dass es Bekennerschreiben gab, an nähere Details könne sie sich jedoch nicht erinnern. In Vorbereitung auf die Sitzung hatte sie einige Akten durchgesehen. Aber auch hier seien ihr keine Details mehr erinnerlich. Auch konnte sie keine Zeugen benennen, die der Untersuchungsausschuss in den künftigen Sitzungen hören sollte.

Auch zu den Fragen der CDU-Abgeordneten Jan Redmann und Björn Lakenmacher konnte Stari wenig Auskunft geben. Sie konnte sich zwar erinnern, dass es drei oder vier weitere Staatsanwälte gab, die sich mit politisch motivierten Straftaten beschäftigt hatten, aber nicht mehr genau, welche sich mit der NaBe beschäftigt hatten. Auf die Frage ob, sie sich im Laufe des Falls mit der Polizei oder dem Verfassungsschutz auseinandergesetzt hatte, hatte sie keine Antwort.

Die Abgeordneten der Linksfraktion fragten nach der Situation vor Ort an der Trauerhalle. Stari gab an, zum Ort des Geschehens gefahren zu sein. Ein Polizist habe ihr den Tatort gezeigt. Sie machte sich ein Bild von der zerstörten Tür der Trauerhalle. Vor Ort waren außerdem ein Vertreter der Politik und eine Person aus der jüdischen Gemeinde. Der Staatsanwaltschaft war daran gelegen, „Präsenz zu zeigen, dass so ein Delikt ernst genommen wird“. Die Frage des Ausschussvorsitzenden Rupprecht, ob es sich um einen „Alibi“-Termin gehandelt haben soll, wies Stari zurück. Sie sei auch aus persönlichem Interesse vor Ort gewesen und hatte zu dem Zeitpunkt keinen Ermittlungsauftrag.

Die Grünen-Abgeordnete Ursula Nonnemacher fragte Stari, ab wann sie die Ermittlungen zur NaBe übernommen hat. Dies wusste Stari nicht mehr genau. Auf die Frage, ob sich Stari noch erinnern könne, welche der 15 Fälle ihr zugeteilt worden sind, erwähnte Stari eine Propaganda-Aktion an einer Eisenbahnbrücke. Nur an diese Ermittlungen konnte sie sich noch erinnern, dass es sich um ein Hakenkreuz-Graffiti in „erheblicher Größenordnung“ gehandelt habe. In dem Fall wurden die üblichen Ermittlungsschritte eingeleitet, etwa die Sicherstellung von Fingerabdrücken oder Farbspuren. Nicht erinnern konnte sich Stari an die weiteren Staatsanwälte, die an den Ermittlungen beteiligt waren. Zum Verfassungsschutz hatte Stari selbst keinen Kontakt, an Verdachtsmomente bis 2001, die darauf hinweisen könnten, dass V-Leute mit der NaBe in Kontakt gestanden haben, konnte sich Stari ebenfalls nicht erinnern.

2. Fragerunde

Auf die Frage des CDU-Abgeordneten Björn Lakenmacher nach der Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft mit der Polizei, erwiderte Stari, dass dort ein übliches Prozedere vorgesehen sei. Die Polizei hatte den Erstzugriff vollzogen und die Akten der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Im Zusammenhang mit der NaBe habe man ab und zu Gespräche geführt.

Auf die Fragen des AfD-Abgeordneten Lutz Wiese was nach dem Besuch auf die Trauerhalle passiert sei, konnte sich Stari nur wenig erinnern. Sie wisse noch, dass sie den Bericht dazu unmittelbar bzw. wenig später angefertigt habe. Sie konnte sich nicht mehr im Detail erinnern, mit wem sie vor Ort gesprochen hatte. Die Anwesenheit von Wolfgang Siegmund war ihr im Gedächtnis geblieben.

Die Grünen-Abgeordnete Ursula Nonnemacher befragte Stari nach einem weiteren Sachverhalt. So wollte sie wissen, ob Stari Hinweise auf Polizisten vorliegen würden, die auf Fotos mit Hakenkreuzen zu sehen waren. Über diese lag in den Akten eine mutmaßliche Spur zur NaBe vor. An den Vorfall konnte sich Stari nicht erinnern. Nonnemacher wies außerdem auf einen anderen Sachverhalt hin. In Trebbin gab es einen Brandanschlag auf einen türkischen Imbiss. Drei bis vier Wochen vorher wurde der Betreiber des Imbisswagens von Neonazis bedroht. Die Tat wurde der NaBe zugeordnet, doch auch an sie konnte sich Stari nicht erinnern. Zudem berichtete Nonnemacher, dass es im weiteren Verlauf der Ermittlungen zu einer nicht-anonymisierten Gegenüberstellung von Opfer und vermeintlichen Tätern kam: Für die verdächtigen Neonazis war der Imbiss-Besitzer sichtbar gewesen. Aus Angst zog das Opfer die Anzeige später zurück. An diese Gegenüberstellung konnte sich Stari nicht erinnern. Auf die Frage, ob eine derartige Praxis der personengefährdenden Gegenüberstellung bei der Polizei üblich sei, sagte Stari, dass Gegenüberstellungen selten seien. Normalerweise würden den Betroffenen Fotos gezeigt.

Zeugenaussage Wolfgang Siegmund

Als dritter und letzter Zeuge wurde der Generalbundesanwalt Wolfgang Siegmund befragt. Eingangs stellte er fest, dass keine Personengruppe gefunden werden konnte, die die NaBe zu sein schien, obwohl die rechte Szene im Raum Potsdam genau „umgepflügt“ wurde. Für ihn sei es erstaunlich gewesen, dass keine auf eine Struktur hinweisenden Beweise gefunden werden konnten.

Siegmund gab an, dass er erst im Laufe des Verfahren zum Bundesanwalt ernannt wurde. Auch hatte er das Verfahren nicht zu Ende geführt. Zwischen 1990 bis 2003 hatte er rechtsextreme Straftaten behandelt. Das NaBe-Verfahren wurde erst 2005 eingestellt.

Bezüglich der Ermittlungen seien ihm mehrere Besonderheiten aufgefallen. Zum einen wurden sehr unterschiedliche Straftaten durch die NaBe begangen. Neben dem Brandanschlag auf die jüdische Trauerhalle gab es weitere Propaganda-Delikte und Brandstiftungen gegen türkische Imbisse – alle mit Bekennerschreiben der NaBe. Auffällig dabei: sie besaßen unterschiedlicher Schreibweisen, was ein Anlass zum Zweifeln gab, ob es sich um eine feste Gruppierung gehandelt hatte. Ein Bekennerschreiben bezeichnete er als geradezu „lachhaft“. In diesem stand, dass die vermeintlichen Täter Adolf Hitler „alles Gute im Himmel“ wünschen würden – so etwas würde ein Neonazi so nicht schreiben.

Dann erinnerte Siegmund sich daran, dass der Brandenburger Verfassungsschutz die Bekennerschreiben auf seine Homepage gestellt hatte. Davon hatte er ein halbes bis ein dreiviertel Jahr später Kenntnis erhalten. Er hatte daraufhin den Verfassungsschutzchef Wegesin persönlich aufgesucht und gebeten, diese Texte wieder zu löschen. Dass der Verfassungsschutz der Bitte nicht nachkam, habe ihn verwundert.

Doch schon bevor das Verfahren aufgenommen wurde, hatte sich die Landesbehörde kritisch zur Übernahme geäußert. Öffentlich soll der Verfassungsschutz geäußert haben, dass es abwegig sei, in dem Fall an eine terroristische Vereinigung zu denken. Nach Ansicht der Landesbehörde soll es sich um eher um ideologisch zusammenhangslose Taten gehandelt haben bzw. um eine „ideologische Konstruktion“ und keine Terrorstruktur im Sinne des Paragrafen 129a. Siegmund sei erstaunt gewesen über diese vorschnelle Prognose, gab jedoch zu, dass sie „scheinbar Recht hatten“, weil das GBA auch keine Struktur ermitteln konnte.

Zusätzlich erinnerte sich Siegmund an eine Behördenerklärung des Brandenburger Verfassungsschutzes. So hatte die Landesbehörde einen Mann gemeldet, der „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ an den NaBe-Taten beteiligt war. Diesen Hinweis nahm das GBA ernst, observierte die besagte Person und führte eine Wohnungsdurchsuchung durch. Doch der Hinweis erwies sich als unzutreffend. Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes beruhte auf den Angaben eines V-Manns, die der GBA nicht kannte. Der Verdacht fiel auf einen Neonazi namens „Klein“. Seine Täterschaft konnte nicht nachgewiesen werden.

In den Ermittlungen stieß Siegmund auf weitere Unregelmäßigkeiten, als es um den Anschlag auf einen türkischen Imbiss ging. Eine Person meldete sich bei der Polizei. Er erklärte der Polizei, dass er im Schutt eines Tatorts eine Geldkassette gefunden hat, in der sich ein Bekennerschreiben zu dem Anschlag befand. Siegmund kam dieser Fund erstaunlich vor, denn das Schreiben schien von dem Brand unbeschädigt geblieben zu sein. Ihm drängte sich der Verdacht auf, dass es später hingelegt wurde.

Mit der verratenden Razzia in der Potsdamer Naziszene hatte die GBA nichts zu tun. Die Razzienpläne gehörten nicht zu den NaBe-Ermittlungen der GBA. Siegmund erinnerte sich aber an die Absprache, dass die Zielpersonen, die im Verdacht standen, der NaBe anzugehören, von den Razzien nicht betroffen waren. Das LKA sollte die GBA jedoch informieren, sollten sich Hinweise auf die NaBe in den durchsuchten Wohnungen finden. Wegen des Razzienverrats wurde der Termin vorverlegt. Die Durchsuchungsaktion richtete sich vor allem gegen die Potsdamer Musikszene, die – so Siegmund – gut vernetzt war. Die Wohnung des V-Manns und seine Zweitwohnung wurden nicht durchsucht.

Siegmund gab zu Protokoll, dass es keine politischen Druck, gab in der Sache zu ermitteln. Politischer Druck sei vorhanden gewesen, wenn das GBA etwas nicht übernehmen wollte. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft setzte die GBA bezüglich der Serie von Anschlägen im Potsdamer Raum in Kenntnis. Die GBA prüfte die Zuständigkeit. In dem Fall handelte es sich um eine Brandstiftung mit besonderer Bedeutung, was die innere Sicherheit gefährdete. Zu dieser Zeit war es nicht selbstverständlich, dass die GBA solche Delikte bearbeitete. Seit 1999 gab es nur einen Fall. Es handelte sich dabei um ein versuchtes Tötungsdelikt in Eggesin (Mecklenburg-Vorpommern). Dort hatten sich „Einzeltäter“ zusammengeschlossen und einen Vietnamesen beinahe zu Tode getreten. Auch in diesem Fall wurde die Zuständigkeit geprüft. Dass der Täterkreis als eine terroristische Vereinigung gesehen wurde, war umstritten. Auch sei es nicht selbstverständlich gewesen, dass die GBA solche Verfahren übernommen hat. Dies sei tatsächlich nicht immer sinnvoll, so Siegmund, da die Staatsanwaltschaften ihre lokalen rechtsextremen Szenen besser im Blick hätten. Das Gesetz sah es aber vor, dass die GBA solche Ermittlungen (gemeint: §129a) übernehmen soll. Siegmund erinnerte sich, dass als die GBA die Ermittlungen zur NaBe übernahm, die Diskussion um ihre Zuständigkeit im vollen Gange war.

Auf die Frage des Ausschutz-Vorsitzenden Rupprecht ob Siegmund das „Celler Loch“ bekannt gewesen sei, erwiderte er, dass eine solche Struktur nicht gefunden werden konnte. Alles Weitere wäre Spekulation, so Siegmund. Nachdenklich stimmte ihn allerdings ein Bekennerschreiber, das ihm sprachlich „lächerlich“ vorkam und vermutlich später am Tatort platziert worden war.

Abschließend wurde Siegmund von Rupprecht gefragt, wer seiner Meinung nach hinter der NaBe stehen würde. Siegmund gab an, dass die Straftaten womöglich von verschiedenen Personenkreisen verübt wurden. Die einheitliche Benennung als Nabe könnte eine „Fremdzuschreibung“ durch Dritte gewesen sein. Dass der Verfassungsschutz dahinter stehen könnte, schloss Siegmund aus. Siegmund verwies abschließend auf andere Taten, die zwar nicht der NaBe zugeschrieben wurden, aber in ihrer Ausführung und Tatwerkzeugen Parallelen aufwiesen. Ein möglicher Täter hätte ein Neonazi namens „Jung“ sein können.

1. Fragerunde

Der SPD-Abgeordnete Björn Lüttmann begann mit der Frage, wie sich die Ermittlungen des GBA aus der Ferne gestaltet haben. Siegmund erläuterte, das bei solchen Fällen in der Regel ein Ermittlungsauftrag an das BKA oder LKA gestellt werde. In dem Fall um die NaBe hatte sich die örtliche Polizei um die Angelegenheit bekümmert, das heißt der Auftrag wurde durch das Brandenburger LKA bearbeitet. Vor Ort hatte die GBA keine Staatsanwälte, was Siegmund als bedauerlich empfand, denn aus seiner Sicht war die GBA ermittlungstechnisch nicht besser als die Staatsanwaltschaft, die „ihre Szenen“ besser kennen würden. Auf die Frage warum er das Verfahren nicht zu Ende geführt hat, gab Siegmund „keine inhaltlichen Gründe“ an.

Eine weitere Frage beschäftigte sich mit dem Verhältnis des GBA mit dem Innen- und Justizministerium. Björn Lüttmann fragte, ob das GBA sich in den Ermittlungen ausreichend unterstützt gefühlt habe. Siegmund erinnerte sich daran, keinen Kontakt zum Justizministerium gehabt zu haben, aber zur Staatsanwaltschaft und zum LKA. Letzteres erwies sich als sehr engagiert und hatte die Ermittlungen gut unterstützt. Es habe Hindernisse durch andere Ministerien gegeben. Nur der Verfassungsschutz hatte sich als „not amused“ gezeigt, als sein Leiter gebeten wurde, die Bekennerschreiben der NaBe von der Webseite zu nehmen.

Auf die Frage der SPD-Abgeordneten Inka Gossmann-Reetz, ob Siegmund gravierende Fehler in Hinblick auf die Polizei- und VS-Arbeit aufgefallen sind, antwortete Siegmund, dass ihm keine Versäumnisse der Ermittlungsarbeit der Polizei erinnerlich seien. In Hinblick auf den Verfassungsschutz übte er Kritik. So war es aus seiner Sicht ein Fehler, den Termin der Razzia an die Szene weiterzugeben und die Bekennerschreiben zu veröffentlichen. Dies hätte Ermittlungen behindern können.

Anschließend fragte Gossmann-Reetz, ob die Bekennerschreiben von der gleichen Gruppierung geschrieben wurden. Zwar hatte Siegmund dazu keine guten Erinnerungen, dennoch konnte er sich einzelne Details ins Gedächtnis rufen. So waren die Bekennerschreiben auf historischen Daten bezogen, was ihn veranlasste anzunehmen, dass die Schreiben nicht von Aktivisten der Skinhead-Bewegung hätten stammen können, sondern von Neonazis, die sich mit historischen Personen wie Horst Wessel oder Rudolf Heß beschäftigt haben. Generell unterschied sich die Diktion der Bekennerschreiben. Einige waren kurz und schlicht, während andere in die Länge gingen. Dies sprach dafür, dass die Schreiben nicht von derselben Person formuliert wurden. Zu dem Propaganda-Delikt an der Autobahn mit dem Bezug auf Rudolf Heß, was zu einem Delikt der NaBe-Serie gehört, gab es ein Geständnis eines Tatbeteiligten. Es soll sich dabei um einen Neonazi mit dem Namen „Jung“ gehandelt haben. Dieser soll Kontakt zu einer Frau in Niedersachsen gehabt haben, bei der die Überlegung im Raum stand, dass sie die Textvorgeberin der Bekennerschreiben war. Gegen sie liefen Ermittlungen und eine Hausdurchsuchung wurde erwirkt, bei der Datenträger sichergestellt wurden. Nach dem damaligen Stand der Technik konnten die Datenträger jedoch nicht entschlüsselt werden.

Der CDU-Abgeordnete Jan Redmann interessierten sich dafür, ob es in den Ermittlungen gegen die NaBe einen Abgleich mit anderen Bundesländern gab und ob dabei weitere Taten gefunden wurden, die einen Bezug zur NaBe gehabt haben könnten. Siegmund erinnerte sich daran, dass auch anderen Straftaten außerhalb Brandenburgs in den Blick genommen wurden. Es wurden jedoch keine gefunden, die einen Bezug zur Nabe hätten aufweisen können.

In einer weiteren Frage verwies er auf das „Nationale Infotelefon“, was das Konzept der lokalen Kleingruppen bzw. „Zellen“, die unter dem Dach einer „Nationalen Bewegung“ verbunden werden sollten, verbreitete. Dabei sollen regionale Netzwerke auf Namen verzichten, sich lokal verorten und benennen, wie beispielsweise die „Nationale Bewegung Niedersachsen“. Er stellte die Frage in den Raum, ob die NaBe in Brandenburg eher eine „Zell-Struktur“ war. Siegmund sei dies „nicht erinnerlich“ gewesen sein. Auch der V-Mann Thomas Richter, der unter den Namen „Corelli“ geführt wurde, soll Teil der „Friedberger Nationalen Bewegung“ gewesen sein. Redmann fragte, ob diese Spur in den Ermittlungen verfolgt wurde. Siegmund war der Sachverhalt neu.

Auf die Frage ob es unabhängig von der Quelle des Verfassungsschutzes, die den Hinweis auf einen Täter gab, anderen Quellen der Polizei oder andere V-Personen, die Informationen weitergegeben haben, wies Siegmund auf zwei Sachverhalte hin. Siegmund gab zu Protokoll, dass es die Behördenerklärung des Brandenburger Verfassungsschutze gab. Der Verdacht, dass einer der Täter der Neonazi „Klein“ war, ging auf einen V-Mann zurück. Später gab es eventuell auch noch einen Hinweis durch eine V-Person der Polizei, die sich auf den Täterkreis bezog. So soll es in der Nacht, als ein Anschlag auf die jüdische Trauerhalle verübt wurde, eine Party der rechten Szene von Berlin und Brandenburg im Potsdamer Raum stattgefunden haben. Die Polizei sicherte der Quelle „Vertraulichkeit“ zu, wobei der Hinweis auf die Tätergruppe sich nicht bewahrheitet hat.

In einer anderen Frage ging der CDU-Abgeordnete Redmann darauf ein, ob es polizeiinterne Ermittlungen wegen der NaBe gab. Er meinte damit die involvierten Beamten, denen eine eindeutige Nähe zur rechtsextremen Szene nachgewiesen werden konnte. Siegmund gab an, dass keine Ermittlungen durch die GBA initiiert wurden.

Abschließend fragte Björn Lakenmacher nach dem juristischen Diskurs um die Zuständigkeit des GBA und ob es Stimmen gab, die die Zuständigkeit der GBA infrage stellten. Siegmund bejahte. Auch im von ihm geführten Verfahren gegen die Rechtsrock-Band „Landser“ beispielsweise gab es eine Diskussion um die Zuständigkeiten des GBA.

Die Fragen der Linken-Abgeordneten begannen mit einem Zitat aus den Ermittlungsakten. So ist dort ein Vermerk einer LKA-Sachbearbeiterin vom 23.10.2002 verzeichnet, wonach sich eine Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz zum Stand des Verfahrens erkundigte. Auch soll in den Akten vermerkt worden sein, dass es am 26.10.2002 ein Treffen zwischen Bundesbehörde und der GBA gegeben habe, bei dem der erste Tagesordnungspunkt die NaBe gewesen sei. Schöneburg erkundigte sich nach den Umständen dieses Treffens. Siegmund konnte sich nicht an solch ein Treffen erinnern, aber an ein Treffen im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu Landser. Die Frage, ob solche Treffen bei spezifischen Fällen üblich seien, verneinte Siegmund. Es gäbe keine regelmäßigen Treffen zwischen der GBA und dem Bundesamt für Verfassungsschutz. In dem Landser-Verfahren habe es aber Anlass gegeben, miteinander zu sprechen. In den NaBe-Fall war das Amt jedoch nicht involviert.

In einer anderen Frage merkte Schöneburg an, dass der V-Mann Sven S. ein Mitglied von „Blood & Honour“ (B&H) gewesen sei. Er interessierte sich dafür, ob auch andere B&H-Mitglieder in den Zuständigkeitsbereich des GBA gefallen wären und ob aus dieser Überlegung heraus Verbindungen zum NSU ersichtlich seien. Siegmund führte aus, dass Sven S. eine wichtige Rolle in der Rechtsrock-Szene gespielt habe. Er war in der Branche tätig, seine Partnerin lebte in der Schweiz. Auch K. war in der Branche tätig. Weitere Anhaltspunkte hatte Siegmund aber nicht.

Schöneburg merkte an, dass auf der Liste des LKAs 19 Personen waren, bei denen die später verratene Razzia stattfinden sollte. Fünfzehn davon waren parallel auch NaBe-Beschuldigte. Siegmund korrigierte, dass es zu dem Zeitpunkt der Hausdurchsuchung die Informationslage soweit verdichtet war, dass die Liste zunächst auf zwei Beschuldigte reduziert werden konnte. Diese sollten nicht angegangen werden im Rahmen der Durchsuchungsaktion. Auch so habe sich die GBA keine Sorgen gemacht, da die Annahme war, dass Beweise zufällig anfallen könnten.

Abschließend fragte Schöneburg nach den möglichen Beweggründen des Brandenburger Verfassungsschutzes, in den Ermittlungen sich „destruktiv“ verhalten zu haben. Siegmund stellte klar, dass der Verfassungsschutz für das Verfahren stellenweise nicht förderlich war: „Man kann ja auch zu dumm sein, oder Überlegungen anstellen, die ich nicht kenne“. Allerdings traue er der Behörde nicht zu, die Ermittlungen vorsätzlich gehindert zu haben.

Die Grünen-Abgeordnete Ursula Nonnemacher zielte mit ihrer Eingangsfrage auf die Umstände des Ausscheidens von Siegmund im NaBe-Verfahren ab. Bis 2003 wäre er mit den Ermittlungen beschäftigt gewesen. Das Verfahren wurde dann von einem anderen Bundesanwalt abgeschlossen. Sie fragte sich, warum der Fall nicht bei – „Rechtsextremismus-Experten“ geblieben sei. Siegmund sagte, dass weder er noch seine Kollegen Experten seien. Die GBA besitze aber drei Abteilungen: die Abteilung für Terrorismus (wozu heute rechtsextreme Fälle zählen), Revision und Spionage (vorher DDR, dann Rechtsextremismus). Auf die Frage nach dem Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels oder eine Übergabe, konnte sich Siegmund nicht erinnern, außer, dass die Akten weitergegeben wurden. Anschließend daran fragte Nonnemacher, ob der Fall vor oder nach der Aufdeckung des Verrats des Durchsuchungstermins im Jahr 2003 an die andere Abteilung abgegeben wurde. Hierzu konnte Siegmund wenig sagen.

In einer weiteren Frage ging Nonnemacher auf den Umstand ein, dass es mehrere Hinweise von der Potsdamer Staatsanwaltschaft gegeben hätte, dass die NaBe „im Visier“ sei. Sie wollte wissen, wer das GBA 2000 mehrfach darauf hingewiesen hatte. Siegmund korrigierte, dass es keine Mehrfachbenachrichtigungen gab, sondern ein umfassendes Schreiben, was die verschiedenen Propagandadelikte der NaBe im Raum Potsdam zusammenfasste.

Bezüglich der Veröffentlichung der Bekennerschreiben auf der Internetseite des Verfassungsschutzes wollte Nonnemacher wissen ob es sich dabei um eine bewusste Sabotage gehandelt habe. Siegmund sah es eher als „ungewöhnlich“ an, dass der Verfassungsschutz Täterwissen veröffentlichte und er merkte außerdem an, dass die rechtsextreme Szene ohnehin geschwätzig sei – aber diese hatte geschwiegen. Mit der Veröffentlichung konnte nun aber jeder sich dieses Täterwissen aneignen. Er hatte zusammen mit dem LKA gebeten, die Schreiben  offline zu nehmen. Noch zwei Jahre nach Aufnahme der Ermittlungen waren die Bekennerschreiben auf der Seite des Verfassungsschutzes weiterhin einsehbar.

2. Fragerunde

Die zweite Fragerunde begann mit einer Anmerkung des SPD-Abgeordneten Björn Lüttmann zu einem Vermerk aus den Akten vom 15.02.2001. Es handelt sich um eine Gefährderansprache des LKA an den Potsdamer Neonazi Uwe Menzel. Diesem wurden Ausschnitte aus dem Bekennerschreiben vorgelesen. Als ihm das Schreiben vorgelegt wurde, welches „Adolf Hitler im Himmel“ huldigte, reagierte Menzel mit Verwunderung. Er gab an, dass es für die Szene „untypisch“ sei vom dem „geliebtem Führer“ zu sprechen und einen derartigen Wortlaut zu benutzen.

Zudem wies Björn Lüttmann auf einen anderen Vermerk hin aus dem Jahr 2005. Der Vermerk dokumentiert ein Telefonat zwischen einem Bundesgeneralstaatsanwalt mit einer Kommissarin. Demzufolge soll sich der angetrunkene Neonazi Holger F. bei dem Bundesanwalt Beck (Abteilung Terrorismusabteilung) telefonisch beschwert haben, dass er eine Speichelprobe abgeben solle. Zu beiden Vorfällen konnte Siegmund nichts sagen, außer dass der Fall in den Zuständigkeitsbereich von Beck gefallen sein muss. Dafür würde sprechen, dass der Fall in den Zuständigkeitsbereich des „Terrorismus“ gegeben wurde.

Die Fragen der CDU gingen erneut auf den Verfassungsschutz ein. Bezüglich der Veröffentlichung der Bekennerschreiben auf der Seite des Verfassungsschutzes findet sich ein Vermerk der Behörde.

So argumentierte der Verfassungsschutz, dass „kaum eine Aussage“ publiziert wurde, „die nicht in der Presse oder Polizei (zuvor) veröffentlicht wurde“. Man habe die NaBe, die seit Ende September nicht mehr in Erscheinung getreten ist, mit der Veröffentlichung zu einer Reaktion bewegen wollen. Der CDU-Abgeordnete Redmann wollte wissen, ob die Argumentation für Siegmund nachvollziehbar war. Für Siegmund war es schwer verständlich, dass der Verfassungsschutz einen Personenzusammenhang motivieren wollte, Straftaten zu begehen, die gerade eine Pause eingelegt haben. Es konnte zwar folgen, dass ein Stillstand für den Verfassungsschutz keinen Erkenntnisgewinn bringt und dies einer Behördenlogik entsprechen könnte. Bei den Erwägungen wollte er aber keine Aussagen über Sinnhaftigkeit oder Motivation der Behörde geben.

Der Linken-Abgeordnete Schöneburg ging erneut auf das Telefonat vom 05.08.2005 ein. Er fasste die Schilderung in den Akten zusammen: Lallend soll der Neonazi Holger F. den Bundesanwalt Beck angerufen haben. Er sprach ihm auf die Mailbox mit den Worten „Was soll das mit der Speichelprobe schon wieder? Ich habe schon vor Wochen eine Speichelprobe abgegeben“. In der Sache hatte dies GBA keine Ermittlungshandlungen ersucht. Das heißt, dass Holger F. nicht nur die Privatnummer eines Bundesanwalts hatte, sondern auch von einer eine Speichelprobenaufforderung wusste, zu der er offiziell noch gar nicht aufgefordert worden war. Schöneburg fragte sich, warum in den Fall nicht ermittelt wurde. Der Zusammenhang war Siegmund nicht bekannt. Warum nicht ermittelt wurde, sei ihm ein Rätsel.

Eine andere Frage beschäftigte sich mit dem Zeitablauf der Taten. Bis zum 30.01.2001 erfolgte eine schnelle Abfolge der Straftaten, bis dann die letzten drei Propagandadelikte am 14.08.2001 erfolgten. Die Linke-Abgeordnete Andrea Johlige interessierte sich dafür, wie es zu diesem Tempo der Taten kam. Die Abfolge konnte sich Siegmund nicht erklären. Im positiven Fall wäre die Pause ein Resultat des Eindrucks der Ermittlungen gewesen. Doch das schätzte Siegmund als unwahrscheinlich ein. Bezüglich der Propagandadelikte vom 14.08.2001 schloss das gleich Erscheinungsbild der Tat auf den gleichen Komplex. Wegen der Ähnlichkeit der Tat nahm man an, die Taten gehören zum NaBe-Komplex. Zudem wurden gleiche Bettlaken und ähnliche Farben sichergestellt. Was fehlte, war ein Bekennerschreiben.

Die letzte Frage der Linken bezog sich auf die im Verfahren präsenten Polizisten, denen ein neonazistischer Hintergrund nachgewiesen werden konnte. Johlige fragte, ob noch weitere Polizeibeamte in den Ermittlungen aufgetaucht seien, „die man sich genauer angucken sollte“. Siegmund führte den Polizisten Stefan Broschell an, der ihm erinnerlich war. Siegmund gab an, dass Broschell ein Berliner Polizist war, der der rechtsextremen Szene zuzuordnen war. Im Rahmen der Ermittlungen gab es mehrere Belege für seine Szenezugehörigkeit und er machte keinen Hehl aus seiner neonazistischer Gesinnung. Bei einer Vernehmung in den internen Ermittlungen gegen Broschell hatte Siegmund ihn gefragt ob er den richtigen Beruf gewählt hatte. Zudem hatte Broschell eine Strafanzeige gegen Siegmund erstattet wegen Aussageerpressung und Nötigung.

In der zweiten Fragerunde fragte der AfD-Abgeordnete Franz Wiese Siegmund warum im NaBe-Komplex keine Ergebnisse zu den Tätern und Strukturen erzielt werden konnten. Siegmund erwiderte darauf, dass alles versucht wurde, um den Sachverhalt zu klären. Auf die Frage ob Siegmund schon einen ähnlich erfolglosen Fall erlebt hat, verneinte er. Es hatte noch nie einen Fall erlebt bei dem so umfangreich ermittelt wurde ohne ein Ergebnis.

Zum Eingang ihrer Fragen der zweiten Fragerunde merkte die Grünen-Abgeordnete Ursula Nonnemacher an, dass es sich bei dem Nazi-Polizisten Broschell um ein heutiges Vorstandsmitglied der AfD Teltow-Fläming handele.

In einer anderen Frage erkundigte sich Nonnemacher, ob es weitere Ermittlungen wegen der Geldkassette gab, die vermutlich nachträglich am Tatort eines Brandanschlags platziert wurde. Siegmund erwiderte, dass die Polizei wahrscheinlich ihre Tätergruppe selbst dazu befragt hat. Das GBA hatte dort keine Befragungen gemacht. Warum das Schreiben in der Kassette fast unbeschädigt war, konnte Siegmund nicht erklären. Es erscheine so, als wäre sie in Nachhinein platziert worden. Nach seiner Erfahrung finden Ermittler solche Stücke vor Ort sofort. Es ist sehr naheliegend, dass die Kassette dort abgelegt wurde, als die Polizei abgezogen war.

Nonnemacher führte an, dass es nun im Zuge der Befragung mehrere Argumente dafür sprachen, die NaBe in den Zweifel zu ziehen. Gerade bei der Frage, ob die Kassette am Fundort nachträglich hinterlegt wurde, lässt sich vermuten, dass es sich womöglich bei der NaBe um mehrere Tätergruppen handelte. Sie fragte, warum an dieser Stelle nicht nachgehakt wurde. Siegmund schloss die Möglichkeit, dass mehrere Gruppen am Werk waren, nicht aus. Auch in den Ermittlungen fiel der Verdacht auf verschiedene Beschuldigtengruppen. Bei dem ersten Brandanschlag fand sich das nicht beschädigte Bekennerschreiben, in einem weiteren Brandanschlag war das Bekennerschreiben durchaus beschädigt.

Bezüglich der Razzien, die im Potsdamer Raum durchgeführt wurden fragte Nonnemacher, ob diese vom LKA mit der GBA abgestimmt gewesen sein. Siegmund erläuterte, dass es sich um keine Durchsuchung wegen der NaBe handelte, sondern um eine groß angelegte Razzia im Potsdamer Raum. Dabei waren die Tatverdächtigen Klein und ein weiterer nicht betroffen. Von der Razzia hatte die GBA Kenntnis.

Abschließend wies Nonnemacher auf einen anderen Zusammenhang hin. Bei einem Referat Ende Juli 2003 sind LKA Beamte auf Siegmund zugekommen und haben ihm zugetragen, dass man sich bei der NaBe an das „Celler Loch“ erinnert fühle. So habe ein V-Mann erklärt, dass der V-Mann-Führer ihm angeordnet hätte, den Termin durchsickern zu lassen. Dieser V-Mann wurde durch die GBA vernommen, was von der Leitung des Verfassungsschutzes stark kritisiert wurde. Der Sachverhalt war Siegmund erinnerlich. Er gab an, dass es zwei Vernehmungen des V-Manns gab. Bei der zweiten Vernehmung gab es keine Aussagegenehmigung durch den Verfassungsschutz. Die GBA hatte sich damals um keine Genehmigung gekümmert. Dies hatte der Verfassungsschutz, aber auch die Staatsanwaltschaft kritisiert. Siegmund stellte klar, dass er den Schritt für richtig hielt und das GBA die Genehmigung nicht gebraucht hätte. Es gab auch die Erwägung, den V-Mann-Führer zu befragen, warum der Durchsuchungstermin durchgegeben wurde. Dies war wohl keine Absicht gewesen. Der V-Mann habe nicht den Termin streuen sollen, sondern seine Wohnung „sauber machen“ sollen. Ein Ermittlungsrichter des BGH sollte den V-Mann-Führer vernehmen. Hierzu wurde der Verfassungsschutz um Auskunft über die Personalien des V-Mann-Führers gebeten. Daraufhin hatte sich die Behörde geweigert, die Personalien weiterzugeben, bevor nicht der Sachverhalt geklärt wird, warum der V-Mann ohne Genehmigung vernommen wurde. Schließlich sollte er V-Mann-Führer unter anderen Namen vernommen. Doch dann kam dies nicht zustande, da alle Beschuldigten an der Vernehmung teilnehmen durften und die Szene ein Interesse hatte, den V-Mann-Führer „kennenzulernen“.

3. Fragerunde

Die Linke fragte, ob es Überschneidungen gab im NaBe- und im Landser-Verfahren – schließlich geht aus den Akten hervor, dass Uwe Menzel wegen beider Sachverhalte vernommen wurde. Siegmund bestätigte, dass es Überschneidungen in Bezug auf einzelne Personen gab. Menzel war mit Landser eng verbunden, genauso wie Landser-Schlagzeuger Christian Wenndorf.

Abschließend fragte Ursula Nonnemacher nach der Befragung des V-Mannes Christian K. Er wurde vernommen wegen des Behördenzeugnisses, zwei Jahre später folgte eine zweite Vernehmung, die andere Schwerpunkte hatte. K. gab an, von seinem V-Mann-Führer den Termin bekommen zu haben und aufgefordert worden zu sein, alles dafür zu tun, dass in seiner Wohnung nichts Belastendes zu finden sei. Die Wohnung wurde von Sven S. genutzt.

Die letzte Frage ging erneut auf die Ermittlungen im Landser-Prozess ein. Auch wenn es dort keine direkte Beziehung zur NaBe gegeben hat, fragte Nonnemacher ob es für den Untersuchungsausschuss ratsam wäre, die Ermittlungen im Landser-Verfahrens in Bezug auf die V-Männer Toni S. und Carsten Szczepanski genauer zu prüfen. Siegmund riet, wegen Szczepanski nicht auf den Prozess einzugehen, wohl aber wegen Toni S.

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