Zusammenfassung – 28. Sitzung – 15. Juni 2018

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Zusammenfassung – 28. Sitzung – 15. Juni 2018

Die 28. Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses am 15. Juni widmete sich weiter dem Neonazi und V-Mann Carsten Szczepanski und einem mit ihm verbundenen Waffenhandel, der Produktion des Heftes „Weißer Wolf“ sowie den Verbindungen der Neonazistrukturen von Blood & Honour zum Chemnitzer NSU-UnterstützerInnenumfeld.

Geladen waren:

1. Uwe Menzel, Neonazi aus Potsdam, ehemaliger Blood & Honour-Aktivist (B&H)

2. B., Mithäftling von Carsten Szczepanski in der JVA Brandenburg an der Havel

3. Ralf Luckow, Neonazi aus Königs Wusterhausen, ehem. Freund von Carsten Szczepanski

Bevor die Sitzung mit der Vernehmung des ersten Zeugen begann, erinnerte der Ausschussvorsitzende Rupprecht (SPD) an die Ermordung von Theodoros Boulgarides durch den NSU am 15. Juni 2005 in München.

Unverblümte Naziideologie

Unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen wurde als erster Zeuge der bekennende Potsdamer Neonazi Uwe Menzel vernommen. Besucher_innen hörten seine Aussagen per Tonübertragung; zu sehen war der Neonazi nicht. Man wollte so möglichst schnell intervenieren können und notfalls den Ton abdrehen, um dem militanten Neonazi keine Plattform für seine Ideologie zu bieten. Bereits bei seiner Begrüßung gab Menzel zu verstehen, dass er kein Interesse an einer Unterstützung der parlamentarischen Aufklärung habe. Er verweigerte mehrfach die Aussagen, redete am Ende doch recht viel. Menzel ist einer der bekanntesten Neonazimusiker in Brandenburg und auch bundesweit eine Szenegröße. Enge Verbindungen pflegte der ehemalige Blood & Honour-Aktivist zu Jan Werner und der sächsischen B&H Sektion, die zum Unterstützendenumfeld des NSU zählen. Auch heute hat er noch Kontakt zu André Eminger, der im NSU-Prozess mit Zschäpe verurteilt wurde.

Was wussten Menzel und seine Kameraden über die Morde, wie gefährlich waren die neonazistischen Strukturen in Brandenburg und welche Rolle spielte der Verfassungsschutzinformant Szczepanski, fragte sich der Ausschuss. Menzel, der sich regelmäßig in der Neonazi-Wohnung in der Chemnitzer Friedrich-Viertel-Straße 85 (bekannt als „C 85“) aufhielt, in der auch Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe unterkamen, will nichts vom NSU gewusst haben. Er machte in seiner Aussage jedoch unmissverständlich deutlich: Wäre er gefragt worden, den untergetauchten Neonazis des NSU-Kerntrios zu helfen, hätte er es gemacht. Er sei aber nicht gefragt worden, gab er zu Protokoll. Später ergänzte er, dass es sinnvollere Ziele als „Blumenhändler und Dönerbesitzer“ gäbe. Menzel macht auch bei anderen Themen keinen Hehl um seine politische Einstellung: Auf Nachfrage von Ursula Nonnemacher (Grüne) erklärte er die Namensherkunft seiner Band “Aryan Brotherhood”: Er sei in Anlehnung an die gleichnamige rassistische Knastorganisation in USA gewählt. Dass Aryan Brotherhood mehrere Menschen ermordete, störte ihn offenbar nicht, es störte ihn lediglich, dass sie in Drogenhandel involviert war.

Die Vernehmung eines militanten Neonazis war für Obleute ein schwieriges Unterfangen. Zeitweise drohte der Ausschuss zur Plattform für Nazipropaganda zu werden. Unverblühmt konnte Menzel über die Vorbereitungen in der Naziszene auf einen heraufbeschworenen Bürgerkrieg sprechen. Diese beinhalten auch den Erwerb von Waffen für den „Tag X“, der auch heute noch ein Motiv für Neonazis sei. Laut Menzel betonte Szczepanski in der Szene die Idee des „Tag X“ und habe die Neonazis zur Vorbereitung eines Angriffs aufgefordert. Er hab auch bei der Vermittlung einer Waffe zwischen Menzel und Luckow aus Königs Wusterhausen geholfen. So wurden auch bei Menzel Waffen, u.a. eine Ceska, gefunden, die er nach Eigenaussage für den „Tag X“ erwarb und auch und gegen Antifas einsetzen würde.

Im Laufe der Vernehmung macht er sexistische, antisemitische und rassistische Kommentare, einen Ordnungsruf durch den Vorsitzenden gab es jedoch nicht. Allein bei dem Wort „Dreckssau“ griff Rupprecht ein. Dass sein alter Freund Szczepanski für den Brandenburger Verfassungsschutz spitzelte, habe Menzel wohl erst nach dessen Enttarnung im Jahr 2000 erfahren. Er selbst wurde mehrfach von Staatsschutz und LKA angesprochen, die ihn – auch bei Vernehmungen- als V-Person anzuwerben versuchten.

Menzel wird vereidigt.

Der couragierte Mithäftling

Der Gegensatz des zweiten Zeugen zu Menzel hätte kaum größer sein können. Zeuge B., der als Mithäftling mit Szczepanski in der JVA Brandenburg an der Havel einsaß, beantwortete alle Fragen der Abgeordneten gewissenhaft und bemühte sich um die Unterstützung der Arbeit des parlamentarischen Gremiums. Er arbeitete während seiner Haft (1994 bis ´97) in der Zeitungsredaktion der Anstalt. In der Redaktion waren meist zwei Hauptamtliche und eine Handvoll ehrenamtliche Redakteure tätig. Irgendwann sei B. aufgefallen, dass regelmäßig stapelweise Papier verschwand. B. stellte Anzeige gegen Unbekannt. Später seien Druckvorlagen des Heftes „Der Weiße Wolf“ aufgetaucht. B. bestätigte: Die Nazipostille wurde in der JVA gedruckt. Es sei nicht das einzige rechte Heft, dass dort die Runden machte. Auch Nazimusik fand den Weg hinter die Gefängnismauern. Postkontrollen und Kontrollen von Besucher*innen habe es nicht bzw. kaum gegeben. Die Bediensteten seien schlampig vorgegangen oder hätten sich bestechen lassen. Szczepanski, so B.´s Auffassung, sei einer der bekanntesten Neonazis in der JVA gewsen. Anders als Kai Müller, der zusammen mit Szczepanski für den versuchten Mord an Steve E. in Wendisch Rietz verantwortlich gemacht wurde, habe er sich nicht von der Szene gelöst. Im Vergleich zu Müller wird deutlich: Ein Ausstieg innerhalb der JVA war möglich. Szczepanskis Ausstieg wird durch die Aussage des Zeugen B. erneut als unglaubwürdig bestätigt. B. will auch bemerkt haben, dass der Neonazi einige Privilegien während seiner Knastzeit genießen konnte. Die Vernehmung von B. gab Einblicke in das Alltagsleben in der Justivvollzugsanstalt: B. berichtete, wie Handys, mit denen die Häftlinge über SMS-Chats im Teletext von Fernsehsender miteinander kommunizierten und Drogen über die Häftlings-KFZ-Werkstatt geschmuggelt wurden.

Unglaubwürdige Gedächtnislücken

Als dritter Zeuge wurde an diesem Freitag der Neonazi Ralf Luckow vernommen. Er gehörte zum engen Kreis um Szczepanski und war bei den „United Skins“ in Königs Wusterhausen aktiv. Ralf Luckow gab an, auf Druck seiner Familie aus der Neonaziszene ausgestiegen zu sein. In der aktuellen Ausgabe der Antifa-Recherche-Zeitung „Fight Back“ wird er hingegen weiterhin als Neonazimusiker namentlich und mit Foto veröffentlicht. Seine Vernehmung verlief äußerst zäh und schleppend. Fragen der Abgeordneten wich er aus, schwieg oder rede sich mit Gedächtnislücken heraus. Gegen Luckow, der Szczepanski seit Beginn der Neunziger Jahre kannte, wurde 1992 im Zusammenhang mit dem Ku-Klux-Klan als mutmaßliches Mitglied einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Dass er davon nichts gewusst habe, wie er behauptete, wäre durchaus denkbar. Dass er sich an eine Vernehmung im selben Jahr nicht erinnern kann, dagegen nicht. Auch an andere einschneidende Ereignisse wie die Verurteilung für den Waffenhandel zwischen ihm und Uwe Menzel will er sich nicht mehr erinnern können. Die Abgeordneten hoffen, dass sich Luckow unter Ausschluss der Öffentlichkeit gesprächiger geben würde und verlagert die Vernehmung in Geheimschutzraum im Keller des Landtages.

Die Vernehmung wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit weitergeführt.

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