Zusammenfassung – 14. Sitzung – 06. Oktober 2017

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Thema der 14. Sitzung des Brandenburger NSU-Untersuchungsausschusses war erneut der Komplex um die Anschläge der Nationalen Bewegung in den Jahren 2000 und 2001.

Öffentlichkeit bleibt ausgeschlossen
Wieder wurden wesentliche Teile des Ausschussgeschehens unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgewickelt. Die Nachhaltigkeit, Nachvollziehbarkeit und die Glaubwürdigkeit der Ausschussarbeit ist bei einer derartigen Vorgehensweise nicht gewährleistet: Tatsächliche Aufklärung setzt Öffentlichkeit voraus.
Die beiden Neonazis Sven Sch. (ehemals führender Brandenburger Funktionär der Neonazigruppe Blood & Honour) und Holger F. (ehemals Beschuldigter im Verfahren gegen die Nationale Bewegung) wurden in nicht-öffentlicher Sitzung durch den Ausschuss befragt.

Rechtsberatung für Neonazi
Im öffentlichen Sitzungsteil wurde der Polizist Michael Kresse unter Anwesenheit eines Rechtsbeistands vernommen (er war bereits im Juni vernommen worden. Kresse ermittelte im Landeskriminalamt gegen Sven Sch. Gleichzeitig, so wurde auch in der jetzigen Ausschusssitzung deutlich, hatten die beiden ein Vertrauensverhältnis zueinander. Sch. ließ sich über Kresse beraten, welche Artikel er in seinem Neonaziversand Hatesounds anbieten könne, ohne in strafrechtliche Schwierigkeiten zu kommen. Kresse stellte diese kostenlose Rechtsberatung für einen führenden Blood-&-Honour-Kader, der Equipment für die militante Szene anbot und damit zehntausende D-Mark Umsatz machte folgendermaßen dar: Er habe durch die Prüfung der Neonaziartikel kriminalpräventiv gehandelt – schließlich seien so Straftaten verhindert worden und Neonazi-CDs nicht in den Handel gekommen. Daran, dass Sven Sch. überhaupt bei Blood & Honour aktiv gewesen sei, wollte sich Kresse in der Ausschusssitzung nicht mehr erinnern können. Dass es ein Zwiespalt war, gegen einen Neonazi zu ermitteln und ihn gleichzeitig zu unterstützen sei ihm bewusst gewesen, er habe dies allerdings ausgehalten.

Der Spitzel, der keiner gewesen sein soll
Sch. habe Kresse einmal mitgeteilt, dass er ihm eine brisante Information geben wolle. Bei einem Treffen an einer Tankstelle habe er dann den Namen eines Neonazis genannt, der seiner Ansicht nach für die Taten der Nationalen Bewegung verantwortlich gewesen sei. Diese Information habe Kresse an die für die Nationale Bewegung zuständige Polizeieinheit weitergegeben. Ein „Deal“ mit Sch. sei nicht ausgehandelt worden, er habe keine Straffreiheit oder Geld zugesichert bekommen. Deshalb sei Sch. kein Polizeinformant gewesen. Er, Kresse, habe auch nie vorgehabt, Sch. als V-Person anzuwerben. Diese Auskunft steht in Widerspruch zu einem Papier, welches Kresse bei seiner Vernehmung im Juni vorgelegt hatte – darin hatte er selbst notiert, dass er damals sehr wohl vorgehabt hätte, Sch. anzuwerben. Aus einer Frage im Ausschuss geht hervor, dass Kresse ein Treffen mit Brandenburger Verfassungsschützern hatte – unter anderem mit dem V-Mann-Führer „Max Sandmann“ – bei dem es um eine Anwerbung von Sch. ging. An dieses Treffen will sich Kresse nicht erinnern können.

Nazipistole in Potsdam: Gleiches Kaliber wie NSU-Mordwaffe
Auch an Ermittlungen gegen den Potsdamer Neonazi Uwe Menzel war Kresse beteiligt. Bei einer Durchsuchung im Juli 2000 wurden verschiedene Waffen beschlagnahmt. Unter anderem eine schussfähige Pistole der Marke Ceska mit dem gleichen Kaliber, wie sie später der NSU verwendet hatte. Die Ermittlungen zur Herkunft der Waffen hatten in der Folge zu Carsten Szczepanski (V-Mann „Piatto“) geführt, der wiederum als Quelle für die Waffen auf Ralf L. verwies. Ein halbes Jahr nach der Razzia vernahm Kresse Uwe Menzel. Laut der Fragen der Ausschussmitglieder scheinen die Akten darauf hinzudeuten, dass Kresse den Neonazi weniger als Zeugen oder Beschuldigten, sondern eher als Sachverständigen befragte. Dem Neonazi, bei dem noch vor Monaten Waffen gefunden wurden, wurden Ermittlungsansätze mitgeteilt, Details aus Abhörmaßnahmen und auch Bekennerschreiben der Nationalen Bewegung vorgelesen. Menzel sei, so geht aus den Fragen hervor, regelrecht aufgefordert worden, mit den Neonazis Stefan R. und Marcel K. Rücksprachen zu halten. Dass Kresse Menzel Geld für Informationen angeboten hatte, bestritt dieser.

Vernehmung von Potsdams Staatsschutzchef
Es folgte die Vernehmung des ehemaligen Potsdamer Staatsschutzchefs Jürgen Wetzel. Auch dieser wurde von einem Rechtsbeistand unterstützt – dem gleichen wie zuvor Michael Kresse. In einer länglichen Vorrede kündigte Wetzel sogleich an, dass bei ihm größere Erinnerungslücken vorliegen würden.

Der Polizist, sein Nazisohn, die verratene Razzia
Die verratene Razzia gegen Neonazis in Potsdam und Umgebung, die im Umfeld der Ermittlungen gegen die Nationale Bewegung erfolgt war, war von Wetzels Staatsschutz geplant worden. Um den Verrat der Razzia habe sich Wetzel jedoch nicht weiter gekümmert, sagte er im Ausschuss. Für die Razzia seien zahlreiche Polizeikräfte angefordert worden – der Verrat muss also nicht aus seiner Behörde heraus erfolgt sein. Dass ein an der Razzia beteiligter Polizist der Vater eines Neonazis war, der von der Razzia betroffen war (und bei dem keine Beweismittel gefunden wurden), war Wetzel nach Auskunft im Ausschuss nicht bekannt. Im Potsdamer Staatsschutz war, so wurde deutlich, damals auch ein Polizist tätig, bei dem später, 2003, eine Razzia wegen Korruptionsvorwürfen erfolgte. Bei dieser Razzia wurden zahlreiche Neonazi-Devotionalien sichergestellt. Ebenfalls wurden Fotos von anderen Polizeibeamten in rechtsextremen Kontext gefunden – unter anderem Fotos vom heutigen AfD-Kreisvorstand Stefan Broschell. Der fragliche Potsdamer Staatsschützer war unter anderem an einer Vernehmung von Carsten Szczepanski beteiligt.

16 Treffen mit Blood-&-Honour-Kader
Wetzels Staatsschutz in Potsdam war ursprünglich von Sven Sch. kontaktiert worden und um eine Rechtsberatung für seinen Versand gebeten worden. Eine V-Person sei Sch. „auf keinen Fall“ gewesen, sagte Wetzel. Er gab an, dass er sich von Sch. allerdings Informationen über „Skinkonzerte“ erhofft hatte, dies aber schnell aufgegeben habe. Als Versandhändler hätte Sch. keine Informationen über solche Konzerte gehabt – er sei darum als Informationsgeber wertlos gewesen. Als V-Mann wäre Sch. ohnehin nicht infrage gekommen, weil der Potsdamer Staatsschutz über keine Mittel verfügte, um V-Leute zu führen. Auch eine Rechtsberatung für den Versandhandel von Sch. habe es nach seiner Erinnerung nicht gegeben.

Geburtstags-Glückwünsche von Staatsschutz
Aus den Akten wird Wetzel vorgehalten, dass einer seiner Mitarbeiter sich mindestens 16 Mal mit Sch. getroffen hatte. Für die Menge dieser Treffen hatte Wetzel keine überzeugende Erklärung. Aus einer Erklärung des Mitarbeiters geht laut einer Nachfrage im Ausschuss zudem hervor, dass Wetzel dem Neonazi Sch. Glückwünsche zu dessen Geburtstag ausrichten ließ. Auch daran wollte Wetzel keine Erinnerung haben. Ebenfalls aus einer Nachfrage im Ausschuss wird bekannt, dass bei einer Telefonüberwachung ein Gespräch zwischen dem Blood-&-Honour-Kader Dirk H. und Sven Sch. abgehört wurde. Nach der verratenen Razzia sagte Sch., dass er hoffe, dass der Polizist Wetzel nun „keinen auf den Deckel“ bekommen würde. Von diesem Gespräch hatte Wetzel, so sagte er im Ausschuss, keine Kenntnis.
Die nächsten Sitzungen des brandenburgischen Untersuchungsausschuss sollen am 6. Und am 10. November stattfinden.

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