Zeugen:
– Horst Peter Giebler, ehemals Abt. 5 des Innenministeriums (Verfassungsschutz Brandenburg)
– Heiner Wegesin, ehemaliger Abteilungsleiter der Abt. 5 des Innenministeriums (Verfassungsschutz Brandenburg)
– Thomas Beck, Generalbundesanwaltschaft
– Holger F., Neonazi, Verdacht der Mittäterschaft bei Anschlägen der „Nationale Bewegung“
Im Zentrum der 12. Sitzung des NSU-UA in Brandenburg stand einmal mehr die „Nationale Bewegung“ (NaBe). Der Fokus lag auf der Arbeit des Verfassungsschutzesund auf dem Verrat einer geplanten Durchsuchungsmaßnahme in der Neonaziszene im Februar 2001. Zur Erinnerung: Polizei und Verfassungsschutz tappten – nach offizieller Darstellung – bei der Suche nach den Tätern der Anschläge durch die „Nationale Bewegung“ im Dunkeln.
Zwar hatte der Verfassungsschutz dem Landeskriminalamt (LKA) mit einem Behördenzeugnis einen Hinweis zur Mittäterschaft eines Holger F. an den Anschlägen der „Nationalen Bewegung“ vorgelegt. Allerdings war man sich laut der Angaben von Giebler und Wegesin nicht sicher, ob die Behauptungen des V-Mannes Christian Kö., auf dem das Behördenzeugnis basierte, Hand und Fuß hatten. Dennoch hatten sie das Behördenzeugnis mit entsprechenden Formulierungen über die besondere Glaubwürdigkeit der Quelle Christian Kö. angereichert.
Das Polizeipräsidium Potsdam hatte, als präventive polizeilich Maßnahme außerhalb der NaBe-Ermittlungen eine Razzia am 17. Februar 2001 in der Neonaziszene in Potsdam und Umgebung vorbereitet. Man erhoffte sich dabei auch Hinweise auf die „Nationale Bewegung“. Tatsächlich erreichte die Information über die bevorstehende Razzia über den V-Mann-Führer „Max Sandmann“ den V-Mann „Backobst“ alias Christian Kö., der dies brühwarm telefonisch an Sven Sch. weitermeldete. Dieses Telefonat wurde im Rahmen einer TÜK wiederum durch die Polizei abgehört – nur so wurde dieser Geheimnisverrat bekannt.
Bei seiner Befragung führte der damalige Verfassungsschutz-Referatsleiter Giebler (Sommer 2001 bis Frühjahr 2002) als Begründung für seine umfassenden Erinnerungslücken an. Er sei von Wegesin auf die Stelle des Referatsleiters gesetzt worden und habe sich in dieser Funktion nur als „Gallionsfigur“gefühlt, „hinter der andere die Strippen ziehen“. Bereits zum Ende der Probezeit, in der er mehrere Monate erkrankt war, sei er von seinen Aufgaben entbunden und später sogar, auf Wunsch eines neuen Kollegen, aus der Abteilung entfernt worden. Alles was mit dieser Zeit zu tun hätte habe er vergessen. Auf Nachfrage von Ausschussmitgliedern wollte oder konnte er sich noch nicht einmal erinnern von Oberstaatsanwältin Böhm zum Geheimnisverrat befragt worden zu sein und auch der Name es V-Mann-Führers „Sandmann“ „sagt mir nichts mehr“. Erinnerlich war ihm lediglich ein persönliches Treffen mit dem V-Mann „Piatto“ als dieser abgeschaltet wurde. Als Giebler auf Nachfrage weitere Ausführungen dazu machen wollte wurde er von der Vertreterin des Brandenburger Innenministeriums unterbrochen. Die Frage gehöre nicht zum heutigen Themenkomplex. Außerdem könne im öffentlichen Teil der Sitzung nicht besprochen werden wie die Abschaltung des V-Manns gelaufen sei. Die Ausschussmitglieder nahmen diesen unglaublichen Eingriff des Ministeriums einfach in. Gieblers ehemaliger Chef, der damalige Verfassungsschutz-Leiter trat hingegen in „altgedienter Geheimdienstmanier“ die Flucht nach vorn an. Heiner Wegesin räumte ein, dass er damals die allgemeine Anweisung erteilt habe, V-Leute auf das Einhalten der Rechtsordnung hinzuweisen. O-Ton: „Macht euch sauber, in der Szene passiert wieder was, die Polizei ist unterwegs.“
Solch eine allgemein gehaltene Information sei aus seiner Sicht üblich und nicht zu beanstanden. Aber niemals hätte dabei das passieren dürfen, wozu sich der von Wegesin als „Heißsporn“ beschriebene V-Mann-Führer „Sandmann“ hinreißen ließ: Nämlich Angaben zu konkret geplanten Ermittlungsmaßnahmen weiterzugeben. Wegesin, erklärte, er habe sich dies vorher nicht vorstellen können, damals aber sofort den Fehler gegenüber der Polizei unumwunden eingeräumt und sich erklärt sowie entschuldigt. Dies habe der teils schwierigen Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei damals nicht gutgetan. Das eigentliche Problem sei schon in der Persönlichkeit von „Backobst“ alias Christian Kö. angelegt gewesen. Dieser sei „arg“ kriminell gewesen und hätte darum eigentlich nicht als Spitzel geführt werden dürfen. Diese Argumentation ist ein wiederkehrendes Muster beim Verfassungsschutz: Was damals allenfalls problematisch war, würde heute nicht mehr vorkommen können. Wegesin garnierte die Aussage mit dem Zusatz: „Einen Toni Stadler würde es heute nicht mehr geben.“ Und auch Christian Kö. sei damals nur mit Bauchschmerzen weitergeführt worden. Zu wertvoll schienen seine Hinweise – er sollte dem Verfassungsschutz Informationen zu Blood & Honour durch seine Kontakte zu Sven Sch. liefern. Unverständlicherweise sei Wegesin jedoch unbekannt gewesen, dass Sven Sch. als Ausspähungsziel bei Blood & Honour zeitweise Untermieter von Kö. war. Dann hätte eine Bespitzelung unterbleiben müssen. Bestätigen wollte Wegesin wiederum öffentlich nicht, dass Kö. auch auf Uwe Menzel angesetzt worden sei.
Angesichts des immer wieder zu Tage tretenden Chaos beim Einsatz von V-Leuten in der Neonaziszene war es nicht überraschend, das Wegesin einräumte, den Spitzeln wären üblicherweise „allgemeine“ oder kodierte Warnungen vor Razzien übermittelt worden. Seine nebulöse Formulierung, das die „Quellen sich rechtstreu verhalten“ sollten, ist nur eine weitere Umschreibung des Grundsatzes „Quellenschutz vor Strafverfolgung“. Dies hat sich nach der Selbstenttarnung des NSU als Grundsatz mit tödlichen Folgen herausgestellt. Die offiziellen Bekundungen, ein Straftäter könne keine Quelle sein, sind kaum glaubhafter geworden und stehen gleichzeitig der Logik des Quellenschutzes nicht entgegen. So empfand Wegesin es als Selbstverständlichkeit, dass beispielsweise der Neonazi-V-Mann Toni Stadler vor einer Durchsuchung einen gesäuberten PC vom Verfassungsschutz erhalten hatte.
So blieben es denn auch Details in den manchmal härteren Nachfragen der Abgeordneten, die aufhorchen ließen. Bei Sven Sch. sei anlässlich einer Durchsuchung eine Diskette mit der Aufschrift „Nationale Bewegung“ aufgefunden worden. Konsequenzen – Fehlanzeige.
Das LKA ging seinerzeit davon aus, dass Uwe Menzel über die Aktionen der Nationalen Bewegung Bescheid wusste. Menzel sei „herumstolziert“ und habe damit geprahlt, dass ihm für Informationen zur Nationalen Bewegung 38.000 DM angeboten worden wären. Immerhin meinte Wegesin, dass auch die Generalbundesanwaltschaft einen Teil zu den erfolglosen Aufklärungsbemühungen im Zusammenhang mit der Nationalen Bewegung beigetragen habe. Als Beleg führte er an, dass die Generalbundesanwaltschaft eine Informationssperre im gleichzeitig verfolgten Verfahren gegen die Berlin-Brandenburger Neonaziband Landser verhängt hatte. Dies ist insofern interessant, weil sich diese Ermittlungen auch um die Verbindungen zwischen den Akteuren in der Rechtsrockszene sowie der Struktur von Blood & Honour aus Berlin, Brandenburg und Sachsen drehten.
Gänzlich dubios blieb die zum Abschluss der öffentlichen Zeugenvernehmung behandelte Anekdote um einen nächtlichen Telefonanruf von Holger F., dem im Behördenzeugnis des Verfassungsschutz genannten Verdächtigen der Nationalen Bewegung. Dieser hatte im Herbst 2001 einen Anschluss des Abteilungsleiters Terrorismus bei der Generalbundesanwaltschaft, Thomas Beck, angerufen und sich auf dem Anrufbeantworter über eine Anordnung zur DNA-Abnahme beschwert. Im Ausschuss wurde Beck dazu befragt – er zeigte sich „not amused“, wollte sich aber ansonsten nicht erklären können, woher der Neonazi seine Telefonnummer gehabt haben könnte. Er, Beck, habe sonst keine Berührungspunkte mit Brandenburg, der Nationalen Bewegung oder Ermittlungen in der rechtsextremen Szene.
Die Vernehmungen der Zeugen Giebler, Wegesin wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgeführt. Von der Vernehmung des ehemaligen Tatverdächtigen im NaBe-Verfahren Holger F. wurde die Öffentlichkeit völlig ausgeschlossen. Damit führt der Ausschuss seinem selbst formulierten Anspruch, transparent zu arbeiten und öffentlich aufzuklären, ad absurdum.