Toni Stadler, Jahrgang 1974, ist ein aus Guben stammender Neonazi. Spätestens seit dem Jahr 2000 und bis zum Sommer 2002 arbeitet Stadler als V-Mann für den brandenburgischen Verfassungsschutz.
Stadler bewegt sich schon in der ersten Hälfte der 1990er Jahre in der Neonaziszene Südbrandenburgs. Er ist an Ausfahrten der neonazistischen Wanderjugend Gibor beteiligt, kooperiert dafür mit dem Cottbuser Ivo H. und ist mit dem Fanzine Volkswille vernetzt. Stadler betreibt in Guben den Szeneladen Top One. Als ehemaliger Bundeswehrsoldat ist der Neonazi Ansprechpartner für eine Reservistenkameradschaft der Bundeswehr. Zum Umfeld von Stadler zählt unter anderem der Haupttäter der tödlichen rassistischen Hetzjagd von Guben, Alexander Bode. Spätestens ab 1998 ist Stadler mit Carsten Szczepanski, also V-Mann Piatto, bekannt.
Besonders im Rechtsrockbereich ist Stadler eine Szenegröße. Für das Landser-Album „Ran an den Feind“ (1999/2000) organisiert Stadler den Druck in einer polnischen Druckerei. Das Cover wird von Mirko Hesse, einem sächsischen Hammerskin und Spitzel des Bundesamtes für Verfassungsschutz, gestaltet. An der Produktion der CD wirkt zudem maßgeblich der mutmaßliche Chemnitzer NSU-Helfer Jan Werner mit. Auch in die Produktion der CD „Noten des Hasses“ des Bandprojektes „White Aryan Rebels“ ist Stadler involviert. Die Platte machte zwischen 2000 und 2002 Schlagzeilen, weil sie wüste rassistische und antisemitische Mordaufrufe enthält. Stadler hielt nach Angaben des Fanzines Volkswille zeitweise die Rechte an einem Album der Cottbuser Neonaziband Frontalkraft.
Nach offiziellen Angaben wird Stadler im Sommer 2000 vom Brandenburger Verfassungsschutz als V-Mann angeworben. Sein V-Mann-Führer, der sich Dirk Bartok nennt (tatsächlich: Manfred M., berichtet Der Spiegel) setzt sich auf vielfältige Art und Weise für seinen Schützling ein. Unter anderem stattet er Stadler mit einem Handy, Tipps und „sauberer“ Technik aus, um ihn für Polizeirazzien zu wappnen, heißt es in einem späteren Gerichtsprozess. So habe Bartok Stadler einen Computer gegeben, den dieser als Tarnung in seiner Wohnung aufstellt. Den eigentlichen Rechner – voll mit Kundendaten und anderen Beweisen für Straftaten – bewahrt er im Keller eines Nachbarn auf. In einem mitgeschnittenen Telefonat sichert der V-Mann-Führer seinem Schützling Hilfe vom damaligen Brandenburger Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin zu.
Auf Anraten des V-Mann-Führers habe Stadler ein externes Lager für CDs mit strafbaren Inhalten angelegt. Er hätte seine Geschäfte „niemals in so großem Stil aufgezogen, wenn die Potsdamer mir nicht Straffreiheit zugesagt hätten“, sagt Stadler später vor Gericht aus. Dementsprechend bringt eine Hausdurchsuchung in Stadlers Szenegeschäft Top One im März 2002 keine relevanten Ergebnisse.
Seine V-Mann-Tätigkeit fliegt schließlich durch eine Überwachungsmaßnahme des Landeskriminalamtes in Berlin auf. Bei einem Neonazikonzert in Marzahn im Juli 2002 wird eine Übergabe von CDs vermutet. Stadler und der White-Aryan-Rebels-Musiker Lars Burmeister werden festgesetzt.
Im November 2002 wird Stadler in Berlin zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der Richter kommentiert in der Urteilsbegründung, dass der Brandenburger Verfassungsschutz den Neonazi geschützt, ihn mit Informationen und sauberer Technik ausgestattet, Straftaten geduldet und Strafverfolgung vereitelt hätte. In der Urteilsbegründung wird gefordert, dass Brandenburg einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dieser Sache einrichten müsse.
Stadler soll nach dem Verfahren in ein Zeugenschutzprogramm des Landeskriminalamtes überführt werden, berichtet damals die TAZ. Der Spiegel schreibt, dass Brandenburger Beamte des Innenministeriums ihren ehemaligen Spitzel nach dem Prozess an einen geheimen Ort schafften und dort in einer Art Schutzhaft gehalten haben sollen. Genauere Informationen, ob, wie und zu welchen Konditionen Stadler ein Zeugenschutzprogramm durchläuft, sind nicht öffentlich verfügbar. Stadler streitet den Zeugenschutz ab, ohne allerdings eine eigene Darstellung des Geschehens abzugeben.
Ein in Cottbus geführtes Verfahren gegen den V-Mann-Führer Bartok wird 2005 wegen angeblicher Geringfügigkeit eingestellt.
Das Auffliegen des V-Manns führt zum Konflikt zwischen der Politik und den Behörden der Länder Berlin und Brandenburg. Die Berliner Seite vertritt die Ansicht, dass das Handeln des Verfassungsschutzes ein Vorgehen gegen neonazistische Straftaten verhindert habe. Von der Brandenburger Seite wird vertreten, dass die Berliner Polizei die Arbeit des Verfassungsschutzes erschweren würde. Später wird eingeräumt, dass der kriminelle V-Mann „aus dem Ruder gelaufen“ war.
Stadler zieht 2003 nach Dortmund. Laut des Abschlussberichtes des NSU-Bundestagsuntersuchungsausschusses meldete ein Polizeispitzel 2006, dass Stadler versuche, in Dortmund tschechische Waffen zu verkaufen. Später teilt der gleiche Spitzel mit, dass Stadler sich 2006 in Dortmund mit NSU-Terrorist Uwe Mundlos getroffen habe. Stadler bestreitet beides vehement. Allerdings verkehrt Stadler in der rechten Dortmunder Szenekneipe Deutscher Hof, die in unmittelbarer Nähe des Tatortes des Mordes an Mehmet Kubaşik liegt, dem mutmaßlich achten Todesopfer des NSU. Stadler selbst wohnt damals etwa 750 Meter davon entfernt.
Vor den NSU-Untersuchungsausschuss in Nordrhein-Westfalen muss Stadler im April 2016 vorgeführt werden. Zur Klärung von Sachfragen trägt er in seiner Aussage nichts bei.
Weitere Informationen:
„Nazischutzgebiete – zwei beispielhafte Biotope. Der »V-Mann-Skandal« in Guben“ in Antifaschistisches Infoblatt; AIB 57 / 3.2002 | 20.10.2002
https://www.antifainfoblatt.de/artikel/nazischutzgebiete-%E2%80%93-zwei-beispielhafte-biotope-der-%C2%BBv-mann-skandal%C2%AB-guben
„Noten des Hasses aus Guben – Der Fall des V-Manns Toni S.“ von RE:GUBEN; 25. März 2013
http://www.re-guben.de/?p=299
„Die merkwürdigen Amtshilfen für Toni S.“ bei Spiegel Online; 5. November 2002
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/v-mann-prozess-die-merkwuerdigen-amtshilfen-fuer-toni-s-a-221498.html
„NSU-Ausschuss: V-Mann Stadler wird zwangsvorgeführt“ bei Ruhrbarone, 27. April 2016
http://www.ruhrbarone.de/nsu-ausschuss-v-mann-stadler-wird-zwangsvorgefuehrt/126040