Protokoll und Zusammenfassung – 3. Sitzung – 14.10.2016

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Bei seiner dritten Sitzung am Freitag, 14. Oktober 2016, behandelte der NSU-Untersuchungsausschuss in seiner zweiten öffentlichen Sitzung erneut die brandenburgische und bundesweite Sicherheitsarchitektur. Gehört wurden die Sachverständigen Prof. Lange und erneut Prof. Wolff. Behandelt wurde vor allem die V-Leute-Praxis und die Arbeit des Verfassungsschutzes. Beide seien, laut der Sachverständigen, unabdingbar für die Sicherheit der Bevölkerung.

Ankündigung

1. Sachverständiger: Heinrich Amadeus Wolf, 51 Jahre, Professor für Öffentliches Recht Bayreuth
2. Sachverständiger: Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange, Präsident der deutschen Hochschule der Polizei

Zunächst berichtete der Ausschussvorsitzende von der vorangegangenen, nicht-öffentlichen Beratungssitzung des Ausschusses. Mit der Erfüllung der bereits gefassten Beweisbeschlüsse zeigte sich der Ausschuss zufrieden. Akten und Material zu einigen Beweisanträgen sei inzwischen eingegangen. Zudem wurden 34 neue Beweisbeschlüsse gefasst.

Im Nachgang der zuletzt bekannt gewordenen Aktenvernichtung im Zusammenhang mit „Piatto“ bei den Staatsanwaltschaften in Frankfurt (Oder) und Potsdam forderte der Ausschuss die Landesregierung auf, dass ein Moratorium zur Verhinderung von Aktenvernichtung geschlossen werden solle. Es mutete aber unfreiwillig komisch an, dass ein Beschluss gefasste wurde, der die Landesregierung zu einem entsprechenden Beschluss aufforderte. Einen eigenen Beschluss zur Beweissicherung verfasste der Ausschuss nicht.

Im Anschluss folgten die geladenen Sachverständigen.

Vortrag von Prof. Wolff

Es begann Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff von der Universität Bayreuth mit seinem Vortrag „Institut der V-Leute“.

Er führte aus, dass V-Leute keine Beamten seien, sondern aufgrund eines zivilrechtlichen Vertrages zur Informationsgewinnung verpflichtet werden. Während es im Polizeirecht und im Recht der Nachrichtendienste gesetzliche Regelungen gebe, würden solche im Zusammenhang mit einem Strafverfahren fehlen.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht seien die Anforderungen an die gesetzlichen Regelungen grundsätzlich sehr streng. Denn V-Leute griffen regelmäßig mit staatlichem Auftrag verdeckt in Grundrechte wie das Telekommunikationsgeheimnis, den Schutz der Wohnung und das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein. Insgesamt betrachtet ließe sich feststellen, dass es sich um ein bundeseinheitlich verwendetes Hilfsmittel handele, wobei allerdings die Regelungslage uneinheitlich sei.

Regelungsbedürftig seien zum einen die wichtige Abgrenzung zwischen V-Leuten und verdeckten ErmittlerInnen (Beamte), zum anderen die Frage nach persönlichen Voraussetzungen (Vorstrafen oder Altersgrenzen beim Minderjährigenschutz).
Wesentlich seien Regelungen für den Fall, dass V-Leute Straftaten begehen. Dabei müsse nach Auffassung von Prof. Wolff zwischen notwendiger Straffreiheit, bspw. bei sogenannten Kollektivtaten, und anderen Straftaten unterschieden werden. So müssten sich V-Leute ohne Konsequenzen etwa in kriminelle Vereinigungen o.ä. eingliedern. Andere Straftaten müsse der Staat aber im Blick behalten und ahnden, da der Staat eine Schutzpflicht Dritten gegenüber habe, wenn er V-Leute einsetze.
Wichtig sind darüber hinaus grundsätzlich organisatorische Regelungen hinsichtlich der Fragen, wer V-Leute betreue und ob diese Betreuungsbeziehungen regelmäßig verändert werden sollten, um problematische Näheverhältnisse zu vermeiden.

Weitere Fragen wären laut Wolff:
Sollen G10-Kommission oder RichterInnen eingeschaltet werden? Was müsse dokumentiert werden? Wie gestalten sich Verhaltenspflichten für V-Leute und Führungspersonal? Müssen V-Leute bei Straftaten abberufen werden? Was dürfen Führungspersonen steuern? Wer müsse wann informiert werden?

Die Struktur der Regelungen sei in den Bundesländern ähnlich. Es bestehe eine starke Zweckbindung zum Einsatzzweck und eine Mitteilungspflicht. Allerdings seien Fragen der Strafbarkeit von V-Leuten und ihrer Grenzen sowie das Verhältnis zum Führungspersonal nicht oder nur in Verwaltungsvorschriften geregelt. Bisher gäbe es weder eine Abberufungspflicht bspw. bei schweren Straftaten einer V-Person und auch keine zeitliche Befristung ihres Einsatzes.

Aus Sicht von Prof. Wolff seien V-Leute rechtspolitisch notwendig.
So könnten wichtige Informationen beschafft und damit der gesetzliche Auftrag des Verfassungsschutzes erfüllt werden. Gerade für das Aufklären verfassungsfeindlicher Bestrebungen seien V-Leute das adäquate Informationsinstrument.
Gegen die Zulässigkeit von V-Personen spräche jedoch, dass die so erlangten Informationen nur beschränkt zuverlässig seien. Auch sei problematisch, dass der Staat bis zu einem gewissen Punkt mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen gemeinsame Sache mache. Dabei fehle ein klarer Abstand, zudem finanziere der Staat solche auch. Dies sei aus seiner Sicht jedoch weniger problematisch, da es doch keine Unsummen wären, auch wenn dies der Eindruck der Öffentlichkeit wäre.
Problematischer sei, dass der Staat sich angreifbar und erpressbar mache und sich in die Gefahr begebe, selbst verfassungsfeindliche Gruppen oder Bestrebungen zu steuern. Zudem wecke der Staat das Interesse von V-Leuten, in verfassungsfeindlichen Gruppen oder Bestrebungen weiter mitzuwirken.
Jedoch ließen sich diese Gefahren nach seiner Auffassung durch „kluge Regelungen“ mindestens eindämmen. Aus der Welt seien sie damit aber nicht. Das Grundgesetz selbst beantworte die Frage, ob der Einsatz von V-Leuten verpflichtend oder verboten sei, nicht. Mehrheitlich werde von der Notwendigkeit dieses Mittels ausgegangen. Ob der Einsatz dieses Mittels aber vernünftig sei, könne er als Wissenschaftler nicht beantworten.

Anschließend ging Prof. Wolff auf den Fall „Piatto“ ein, wobei er sich auf die Ergebnisse des ersten Bundestags-Untersuchungsausschuss zum NSU bezog.
In diesem Fall werde die Zweischneidigkeit des Einsatzes von V-Leuten besonders deutlich. Bei „Piatto“ habe es sich um eine in außergewöhnlicher Weise straffällig gewordene Person gehandelt. Er sei auf sein eigenes Betreiben während der Untersuchungshaft angeworben worden und habe dadurch erhebliche Vorteile und Privilegien wie bspw. Geld und Bewegungsfreiheit oder gelockerte Briefkontrolle in der JVA erlangt. Es scheine sich bei „Piatto“ um eine ausgesprochen aufschlussreiche Quelle gehandelt zu haben. Welche Auswirkungen seine Rolle als V-Mann für die eigene rechtsextremistische Tätigkeit hatte, sei unklar. In jedem Fall seien die Erkenntnisse aber nicht zur Aufklärung im NSU-Komplex genutzt worden, da die Weitergabe der Informationen damals verweigert worden sei. Dies wäre jedoch nach heutiger Rechtslage nicht mehr möglich, mutmaßte Prof. Wolff.

Fragen an Prof. Wolff

Auf die Fragen der Ausschussmitglieder erklärte Prof. Wolff, dass ihm keine speziellen Regelungen zur Dienst- und Fachaufsicht bezüglich Beschaffung (Anwerbung), Führung und Auswertung von V-Leuten bekannt seien. Er gehe aber davon aus, dass es diese Aufsicht geben müsse, weil ja amtliche Aufgaben erfüllt würden. Natürlich könne durch Fragen der Vertraulichkeit die Fachaufsicht auch eingeschränkt werden, innerhalb der Behörden selbst jedoch nur in sehr geringem Maße. Zuständig wären der Sache nach die vorgesetzten Beamten im Innenministerium Brandenburg.

Wie der Quellenschutz in der Kooperation zwischen dem VS und anderen Sicherheitsbehörden in Brandenburg gehandhabt würde, wisse er nicht.
Aus anderen Bundesländern wisse er aber, dass dieser sehr ernst genommen würde. Auch sei ihm nicht bekannt, welche Schlussfolgerungen der VS Brandenburg aus den Ergebnissen der bisherigen Untersuchungsausschüsse gezogen habe. Notwendig sei aber eine stärkere interne Kontrolle der Regelungen und Verbote von Informationsübermittlungen. Es bräuchte klare rechtsstaatliche Vorgaben des Parlamentes hinsichtlich der Frage: Soll und darf mit Straftätern kooperiert werden? Dies war nicht geregelt und daher bisher eine Entscheidung der Beamten. Dies müsse auch für den Quellenschutz gelten um die Belange von Gefahrenabwehr, Interesse der Informationsbeschaffung sowie Quellenschutz und Strafverfolgung zu berücksichtigen.

Würden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Einsatz Verdeckter Ermittler beim BKA übertragen, wären die brandenburgischen Regelungen wohl verfassungswidrig. Dann müssten Regelungen über Richtervorbehalt, zum Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre und auch zu den Mitteilungspflichten gefasst werden.

Vortrag Prof. Dr. Lange

Die folgenden Ausführungen von Prof. Dr. Lange, Präsident der deutschen Hochschule der Polizei, konzentrierten sich nicht auf das Land Brandenburg, sondern stützten sich allgemein auf die Erfahrungen der Sicherheitsbehörden aus dem NSU-Komplex.

Zunächst führte Prof. Dr. Lange aus, dass das Feld der Inneren Sicherheit seit Jahren wachse und die Zusammenarbeit sich zudem europäisiere.
Dabei sei das in Deutschland geltende Trennungsgebot eine Besonderheit. Die Struktur umfasse bundesweit eine Vielzahl von Behörden des Bundes, der Länder und nicht zuletzt auch der Justiz. Dies habe die politische Konsequenz, dass die Veränderungen an einer Stelle Auswirkungen auch auf das Gesamtsystem haben würden. Die Öffentlichkeit betrachte jedoch immer nur, welche Pannen es in einer einzelnen Behörde gebe. Wichtige Akteure seien die Bundesländer, die die vorhandenen Spielräume für Regelungen nutzen sollten.
Gerade in Folge des NSU-Komplexes sei die Gestaltungshoheit in föderale Gremien wie die Innenministerkonferenz abgewandert. Es werde erwogen, die Verfassungsschutzbehörden von Bundesländern zusammenzulegen. Dies ziehe aber viele Folgefragen nach sich und sei daher schwierig. Der Bundestagsuntersuchungsausschuss sei ein Meilenstein für die Reformdebatte gewesen, der viele Veränderungen nach sich gezogen habe.

Aus Sicht von Prof. Lange seien fünf wesentliche Veränderungen festzustellen.
Die Zusammenarbeit der VS-Behörden wurde bspw. durch das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) oder durch die vom BKA betriebene „Rechtsextremismus-Datei“, auf die insgesamt 35 Behörden Zugriff haben, verstärkt. Mit der Einführung der Indexdatei seien jetzt nicht nur die gewalttätigen rechtsextremistischen Bestrebungen seit 2012 erfasst. Diese Datenplattform stünde bundesweit allen angeschlossenen Behörden zur Verfügung und ermögliche ein Wissensnetzwerk.
Dies habe datenschutzrechtliche Probleme verursacht. So seien die Löschfristen teils sehr unterschiedlich ausgestaltet. Zusätzlich müssten Löschungen von Informationen von und über V-Leute, Informationen sowie Datensätze vom Behördenleiter genehmigt werden.
Prägend sei aber, dass die Regelungen des V-Personeneinsatzes vereinheitlicht worden seien. Die Grundsätze von Anwerbung, Führung und Bezahlung standen dabei im Mittelpunkt.

Mangelhaft sei bisher die fehlende Transparenz gewesen. In der Öffentlichkeit setzten sich Mythen bis hin zu etwaigen Sympathien für rechtsradikale Einstellungen durch Akteure des Verfassungsschutzes fest. Die Verfassungsschutzämter hätten als „Fehlerkultur“ analysiert, wie diese Verdächtigungen entstehen konnten.
Festzustellen sei aber ein Mentalitätswechsel der Verfassungsschützer. Man arbeite nicht für den „Panzerschrank“ sondern für die Gesellschaft. Aus- und Fortbildung basierten künftig stärker auf wissenschaftlichen Standards. Auch die interkulturelle Kompetenz solle beim VS wie auch bei der Polizei gestärkt werden. Zudem sollen die Verfassungsschutzbehörden künftig verstärkt durch Aufklärung und Bildungsarbeit präventiv tätig sein. Auch dränge der Verfassungsschutz selbst auf eine verbesserte parlamentarische Kontrolle, denn die Zusammenarbeit mit den Kontrollinstanzen sei wesentlich für die gesellschaftliche Akzeptanz. In NRW sei zum Beispiel ein Akteneinsichtsrecht des Kontrollausschusses geschaffen worden. Noch sind die gesetzlichen Regelungen eher schmal, aber die Parlamente sollten die aktuellen Entwicklungen für Verbesserungen nutzen.

Prof. Lange betonte, dass man das V-Leute-System aus seiner Sicht nicht allein für sich betrachten dürfe. Es müsse in den Veränderungsdruck, unter dem der Verfassungsschutz stünde, eingeordnet werden. Es gehe um die Rahmenbedingungen für V-Leute. Vorherrschend seien teils abenteuerliche Vorstellungen, wer V-Leute sind und was sie tun und wie viel Geld sie bekämen. Die öffentliche Empörung sei groß, wenn V-Leute Straftaten begingen. Dabei verwechselte die Öffentlichkeit hier die Situation mit Verdeckten Ermittlern sprich Beamten. Es sei ein schwieriges, emotional aufgeladenes Thema.

Grundsätzlich gebe es vier Quellen der Informationsbeschaffung:
a) die Analyse offener Quellen,
b) die Beschaffung aus technischen Quellen,
c) das Einschleusen von Beamten und
d) der Einsatz von V-Leuten.

Ein wissenschaftliches Institut könne sich darauf beschränken, öffentliche Quellen auszuwerten. Nachteilig wäre dabei unter anderem, dass extremistische Organisationen nicht offen über ihre Ziele sprächen. Desweiteren würden bei der technischen Aufklärung zwangsweise auch Unbeteiligte überwacht.

Der zuständige Arbeitskreis der Innenministerkonferenz habe einheitliche Standards und Sprachregelungen für den V-Personeneinsatz entwickelt.
Die Kriterien seien eindeutige Zielvorgaben und die Bewertung des Gefährdungspotentials der zu beobachtenden Organisationen und Personen. Negativ wirkende Kriterien seien minderjährige Beobachtungspersonen, Mitarbeiter von Mandatsträgern in den Gruppen oder fehlende erhebliche Straftaten.
Für die Geldzahlungen gebe es keine einheitliche oder genaue Grenze. Allerdings dürften V-Personen nicht wirtschaftlich von den Zahlungen abhängig sein.
Bei der Führung bestünde die Gefahr persönlicher Bindungen. Dies sei schwer vermittelbar. Bedenklich seien etwa Mitleidsgefühle und Warnungen vor strafrechtlichen Ermittlungen. Es solle deshalb nach 5 Jahren einen Wechsel der Führungspersonen geben, auch wenn Kontakte dadurch gefährdet würden. Auch sollen die V-Leute durch eine bundesweit geführte Datei koordiniert werden, weshalb eine entsprechende Datei beim Bundesamt aufgebaut werde. Zudem müssten Auswertung und Beschaffung strikt getrennt werden.
Prof. Lange warb dafür, dass V-Leute bei bestimmten verfassungsfeindlichen Bestrebungen wie Terrorismus und Extremismus akzeptabel seien. Dafür bedürfe es aber Transparenz und Kontrolle. Die Alternative wäre, dem VS Kompetenzen zu entziehen. Dann müssten die Aufgaben aber von der Polizei übernommen werden, wodurch deren Beobachtungsrechte aber erheblich erweitert würden, was wiederum problematisch sei.

Fragerunde

In der anschließenden Befragung durch die Ausschussmitglieder wurde deutlich, dass beide Sachverständige gesetzliche Vorgaben für notwendig erachten aber möglichst allgemein halten wollen. Andernfalls könnten Beobachtungsobjekte sich darauf einstellen, wer als V-Person im eigenen Umfeld in Betracht komme. Problemtisch sei, dass nicht alles in Verwaltungsvorschriften oder geheimen Dienstanweisungen geregelt werden könne. Dies verhindere auch eine effektive Kontrolle. Letztlich läge es in der Verantwortung des Gesetzgebers, wobei Brandenburg hier überhaupt Regelungen zur Kontrolle einführen müsse.

Auf die Rechte der parlamentarischen Kontrolle angesprochen machten die Sachverständigen deutlich, das ihnen unklar sei, ob die Informationsrechte dort ausreichend wahrgenommen werden könnten. Die Abgeordneten betonten gleichzeitig, sie hätten schon einiges auf den Weg gebracht oder würden dies demnächst tun.
Da zum Beispiel die Kriterien für die Anwerbung nur in geheimen Dienstvorschriften geregelt seien, verstärke sich der Eindruck, dass der VS erst einmal alles anwerbe, was er kriegen könne. Man müsse sich jedoch von der Vorstellung frei machen, dass es vertrauenswürdige, „nette“ V-Leute gebe, so Lange. Diese seien im Regelfall Kriminelle. Nur allgemeine Ausschlusskriterien wie bspw. Alkohol- oder Drogenabhängigkeit könnten Bestand haben. Ansonsten komme es auf den Einzelfall an.

Auf Straftaten angesprochen müsse davon ausgegangen werden, dass V-Leute solche schon begangen hätten und szenetypische Delikte weiterhin zu erwarten seien. Der VS dürfe diese nicht unterstützen oder dafür initiativ werden. V-Leute seien ein „notwendiges Übel“.
Prof. Lange betonte, dass ein wichtiger Punkt sei, dass V-Leute in der Regel Überzeugungstäter seien. Sie benötigten keine Anstiftung, sondern begingen diese Straftaten, weil sie zur Szene gehören. Hinzu komme meist ein persönlicher Grund in ihrer Biografie, weshalb sie mit dem Staat kooperierten. Aber Anstiftung und Anleitung wären rechtswidrig und eine Warnung vor einer Durchsuchungsmaßnahme strafbar. Auf Gerichtsverfahren und Strafvollzug dürfe die Verpflichtung als V-Person keinen Einfluss haben, auch bei Ermessensentscheidungen dürfe die Zusammenarbeit mit dem Staat keine Auswirkungen haben. Privilegien müssten vermieden werden.

Prof. Wolff betonte, dass die Angabe, „Piatto“ ein „Quantensprung“ für die Erkenntnisse des VS allein eine Selbstbeurteilung des VS sei. Es habe 24 V-Personen um das NSU-Kerntrio gegeben. Es fehle an einer Vergleichbarkeit, da es keinen Feldversuch gebe, wie das ohne V-Leute gelaufen wäre. Dass die V-Leute „haarscharf“ am Trio gewesen seien, spräche aus seiner Sicht für die Praxis. Dabei verstieg sich Wolff zur Bemerkung, die „Anstrengungen“ des VS hätten „ja fast geklappt“.

Prof. Lange betonte nochmals, dass die „Fehlerkultur“ der Verwaltung mangelhaft sei. Wen man auf verdeckte Mittel der Informationsbeschaffung verzichte, könne man auch ein sozialwissenschaftliches Institut beauftragen. Auch dies wäre denkbar. Aber dann müsse man der Bevölkerung auch ehrlich sagen, dass man für die Sicherheit nicht garantieren könne. Natürlich dürfe der Staat nicht alles. Aber es müsse möglich sein, V-Leute einzusetzen bei effektiver Kontrolle und mit geschulten Beamten.
Wenn diese Praxis heute abgeschafft würde, würden diese Möglichkeiten morgen bei der Polizei, also einer Geheimpolizei eingeführt. Schon damals hätte aber die Polizei genauso an „Piatto“ herankommen können. Auch das „NSU-Trio“ war für die Polizei relevant.

Prof. Wolff betonte zudem, dass aus seiner Sicht nicht nur der VS verantwortlich sei, Terrorabwehr etwa sei beim BKA angesiedelt. Inzwischen werde durch den Aufbau der V-Leute-Kartei ein besserer Überblick gewährleistet. Aber Koordinierungsgespräche habe es früher schon gegeben. Es sei sicherlich wünschenswert, wenn sich nicht nur die VS-Ämter untereinander austauschen würden, sondern auch die Kontrollorgane dies miteinander tun würden. Sie hätten aber vermutlich alle mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen.

Fazit

Aus Sicht der beiden Sachverständigen ist der Einsatz von V-Personen als „notwendiges Übel“, trotz aller Schwierigkeiten und Mängel, für die Arbeit des Verfassungsschutzes unverzichtbar. Betont wurde zudem die besondere Schwäche des Parlamentarischen Kontrollgremiums in Brandenburg. Herauszustellen ist, dass der Untersuchungsausschuss sich zum Beschluss durchringen konnte, endlich ein Löschmoratorium zu fordern. Dem folgt hoffentlich bald ein tatsächliches Ende der Aktenvernichtungen.

Die nächste Sitzung findet am 18. November 2016 statt.

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