Pressemitteilung #3 – Der Verfassungsschutz lügt – 17. November 2016

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Der brandenburgische Verfassungsschutz ließ seinen V-Mann-Führer Reinhard G. vor dem Münchener Oberlandesgericht anscheinend lügen.
Diese Schlussfolgerung liegt jedenfalls nach einem Beweisantrag der Nebenklage nahe, über den zuerst die Tageszeitung Die Welt und inzwischen auch die Potsdamer Neueste Nachrichten berichtete.

Dass der Brandenburger Verfassungsschutz Unwahrheiten verbreitet ist empörend – kann aber beileibe nicht mehr überraschen. Neu ist lediglich die Aktenlage: Laut der Welt ist ein internes Schreiben der Behörde aufgetaucht, das die gerichtliche Aussage ihres Mitarbeiters G. aus dem Jahr 2015 konterkariert.

Der Brandenburger Verfassungsschutz hatte über seinen V-Mann Carsten Szczepanski (“Piatto”) bereits früh Einblicke in die Struktur rund um das untergetauchte NSU-Trio. Mutmaßlich wurde durch die Behörde 1998 eine Festnahme des Trios verhindert – wodurch die NSU-Mordserie hätte verhindert werden können. Reinhard G. versuchte unlängst in seiner Aussage im NSU-Prozess, die Sabotage der Fahndung zu verschleiern. Eine entscheidende SMS zur Waffenbeschaffung des Trios (“Was ist mit den Bums”) an den V-Mann habe man nicht zur Kenntnis nehmen können, sagte G. vor Gericht. Das interne Papier belegt jedoch, dass der Verfassungsschutz sehr wohl die Möglichkeit dazu hatte. Zumal das angeblich schon vorher abgeschaltete Handy von Piatto offenbar noch länger aktiv und eingeschaltet gewesen sei.

Aus Sicht der Initiative „NSU Watch Brandenburg“ muss der Potsdamer NSU-Untersuchungsausschuss sich nun endlich der Beweisaufnahme widmen und Zeugen laden. Wie Sprecherin Marie Schmidt kommentiert, reicht das allein aber nicht aus: “Gegen die beteiligten BeamtInnen müssen endlich Ermittlungen eingeleitet werden. Denn dass der VS zuallererst seine Quellen schützte und gegenüber dem LKA verschleierte, hatte tödliche Folgen. Nachdem das Ausmaß des Versagens bekannt wurde, wird die öffentliche Darstellung offensichtlich bis hin zur Zeugenaussage im Prozess zurecht gebogen. Da sich das brandenburgische Innenministerium mit allen Kräften zunächst gegen eine Vernehmung von Piatto wehrte und auch die Akten zunächst sperrte, liegt es nahe, dass die tatsächlichen Umstände konsequent verschleiert werden sollen. Die neuen Erkenntnisse müssen so schnell es geht im Ausschuss thematisiert werden und die verantwortlichen Verfassungsschutz-MitarbeiterInnen vorgeladen werden.”

Es sei für den Ausschuss angezeigt, gegenüber dem Verfassungsschutz “die Samthandschuhe auszuziehen”, auf Aufklärung zu drängen und die “Salamitaktik der Behörde nicht länger zu dulden”, so Schmidt weiter. In derselben Weise wurden vermutlich schon die Parlamentarische Kontrollkommission, BKA, GBA und OLG getäuscht.


Am kommenden Freitag (18. November 2016) findet die monatliche Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im Potsdamer Landtag statt. (Ankündigung)

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