Zusammenfassung – 15. Sitzung – 6. November 2017

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Die 15. Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses am Montag, den 6. November, wurde mehrheitlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Ein skandalöser Zustand, der sich weiter fortsetzt und die Arbeit des Ausschusses zur Farce werden lässt. Die öffentliche Aufklärung kann in dieser Form nicht stattfinden und ist beschämend für den sonst engagierten „Brandenburger Weg“ im Kampf gegen Neonazis und Rassismus im Land.

Die Sitzung begann am Vormittag mit der Vernehmung des Polizeibeamten, der nur mit den Initialen I.H. angekündigt wurde, in einem abhörsicheren Raum im Keller des Landestages. I.H. hatte regelmäßig Kontakt zum Neonazi Sven Schneider. Die angekündigte Anhörung der Oberstaatsanwältin Marianne Böhm wurde nach Beratung der Abgeordneten auf die Sitzung am Freitag, den 10. November, verschoben, da Unklarheit über die Vertraulichkeit der Akten herrschte, zu denen sie Stellung beziehen wollte. Es schloss sich eine nicht-öffentliche Anhörung und Beratung mit den derzeitig zuständigen Ministern für Justiz Stefan Ludwig (Die Linke) und für Inneres Karl-Heinz Schröter (SPD) über den Umgang mit als vertraulich eingestuften Akten an. Jan Redmann machte im Anschluss gegenüber dem RBB bekannt, dass die Akten zukünftig durch die entsprechenden Ministerien vorsortiert werden, sodass insgesamt mehr Akten dem Ausschuss zur Verfügung gestellt werden können. Derzeit werden umfangreiche Akten als vertraulich eingestuft und dürfen daher nicht im öffentlichen Teil der Sitzungen besprochen werden. Dies gilt auch, wenn nur einzelne Schriftstücke in der Akte gesperrt sind. Nun sollen auch Aktenbestandteile freigegeben werden.

Erst am Nachmittag wurde der öffentliche Teil der Sitzung mit der Vernehmung des ehemaligen Staatssekretärs im Brandenburger Innenministerium Eike Lancelle (CDU) fortgesetzt. In seine Amtszeit von 1999 bis 2006 fallen die Enttarnungen der V-Männer Carsten Szczepanski, Christian Kö. und Toni Stadler sowie die Ermittlungen zur Nationalen Bewegung (NaBe). Lancelle betonte die in seinen Augen notwendige Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz (VS), Polizei und Landeskriminalamt (LKA). Er schien überzeugt, dass er für einen besseren Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden durch regelmäßige Arbeitsbesprechungen zwischen den Abteilungsleitern sorgte. Ein Problem hinsichtlich des Trennungsgebotes von Polizei und Verfassungsschutz sah er nicht, sein Anliegen sei es gewesen „geltendes Recht auszuschöpfen, um den Informationsfluss zu gewährleisten“. Auch habe er sich nach dem Auffliegen von Toni Stadler für eine sorgfältigere Auswahl und strengere Führung von V-Personen eingesetzt. Auffällig bei der Vernehmung war, dass Lancelle sich an Details nicht erinnern konnte, aber sich moralisch deutlich positionierte, dabei jedoch die Verantwortung oft bei Anderen sah. So etwa in Bezug auf die Duldung von Straftaten von V-Personen, die er als inakzeptabel verurteilte. Auf Nachfrage, ob es eine strafrechtliche Verfolgung oder dienstrechtliche Konsequenzen nach dem Verrat der Polizeirazzia bei Neonazis durch V-Mann Christian Kö. und Polizeiinformant Sven Sch. gegen habe, verwies er auf die Justizbehörden. Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/ Die Grünen) hakte nach, ob er als Staatssekretär nicht in der Pflicht gewesen wäre. Seine Antwort: „Hätte ich davon Kenntnis gehabt, hätte ich ein Auge darauf gehabt. Es sei ein „NoGo“, wenn Straftäter in den eigenen Reihen sein. Ebenfalls hinsichtlich einer versprochenen Straffreiheit für V-Personen, auf die Nonnemacher in Bezug auf einen Spiegelartikel hinwies, wehrte er die Verantwortung ab – auch hier sei die Justiz zuständig – wenn der VS so etwas mache, dann hätte dieser es rechtfertigen müssen. Ähnlich argumentierte Lancelle auch bei anderen Verfehlungen, wie etwa der Methode, V-Leute durch materielle Güter an den VS zu binden – Christian Kö. solle laut Spiegel ein Auto bekommen haben: „Über Haushaltsausgaben muss Rechenschaft abgelegt werden“.

Am Ende machte Lancelle, inzwischen 76 Jahre alt und Beamter im Ruhestand, ein persönliches Statement: Er empfinde das Thema des Ausschusses als bedrückend und belastend. „Es wirft ein düsteres Licht auf unsere Gesellschaft, dass sowas passiert ist und passieren konnte.“ Mit dieser, wenn auch undeutlichen Positionierung, wies er auf die Notwendigkeit dieses Ausschusses hin: Die Aufklärung der Unterstützung militanter Neonazis durch den Brandenburger Verfassungsschutz, die Verstrickungen Brandenburger Neonazis in die brutale Mordserie des NSU und die rassistischen Strukturen in dieser Gesellschaft, die diese weder verhindert noch gesehen hat.

Die Arbeit des Brandenburger Untersuchungsausschusses ist nach knapp eineinhalb Jahren kaum ein Stück vorangekommen. Es herrschen skandalöse Zustände: Akten werden geschwärzt, die Öffentlichkeit wird konsequent ausgeschlossen und die Parlamentarier_innen lassen dies nahezu unwidersprochen zu.

Die nächste Sitzung des Ausschusses wird am 10.November 2017 stattfinden.

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